Steinbrück - Die Biografie
Fehlentwicklungen künftig vermeidet. Larmoyanz oder einfache Kritik ohne Gegenvorschlag findet Steinbrück intellektuell simpel. So etwas käme für ihn nicht infrage.
Gegen Ende der Niederschrift war er selbst ziemlich überzeugt von seinem Werk. Während eines fröhlichen und nicht gerade trockenen Abends bei der Alfred Herrhausen Gesellschaft im Berliner Hauptsitz der Deutschen Bank sprach er im März 2010 erstmals offen davon, dass er fest an den Erfolg seines fast fertigen Buches glaube. Er wollte etwas damit bewirken, das wurde deutlich. Unverkennbar setzte er auf große öffentliche Resonanz. Irgendwie stellte sich an jenem Abend auch heraus, dass er als prominenter Autor einen sechsstelligen Betrag als Honorar durchgesetzt hatte. »Der Markt ist heiß«, freute sich Steinbrück nicht ohne Eitelkeit. »Jetzt wird auch einmal Geld verdient.« Zudem genoss er, der »einfache Abgeordnete«, wie er selbst gerne mit koketter Bescheidenheit sagt, es nach dem monatelangen Rückzug sichtlich, wieder im öffentlichen Interesse zu stehen und sich den neugierigen Fragen der Umstehenden zu stellen. Was er denn mit dem Buch bezwecken möchte, wollen die Gäste wissen. Wen er damit zu treffen beabsichtige? Und vor allem: Was würde drinstehen?
Über einen Titel hatte er im Frühjahr 2010 ebenfalls schon nachgedacht. »Risse im Fundament« fand er nicht schlecht, besser noch »Achtung: Steinschlag«. Als er das sagte, musste er schon wieder über sich selbst lachen. Der endgültige Titel wurde damals nicht verraten.
Die Hinweise auf seine Buchpläne, die Steinbrück scheinbar zufällig in seine ersten Reden und Auftritte nach der Wahlniederlage einstreute, zeigten prompt Wirkung. Das Manuskript war noch nicht einmal fertig, da berichteten die Zeitungen bereits davon. Als Unterm Strich im Oktober 2010 schließlich erschien, kam kaum ein Kritiker in den zahlreichen Rezensionen auf die Idee, Steinbrück habe hier seine Memoiren vorgelegt. Die meisten begriffen sofort, dass es sich um eine umfassende politische Analyse und eine persönliche Standortbestimmung handelte, aber keinesfalls um einen Schlussstrich. Es gab sogar erste Pressestimmen, die das Buch als Bewerbung für die Kanzlerkandidatur der SPD interpretierten.
Wenn man ihm heute die Frage stellt, ob er mit dem Buch sein Comeback vorbereiten wollte, weist er dieses Ansinnen weit von sich. So etwas könne man nicht vorausplanen, und das habe er auch nicht getan, versichert er. Weder sei der Erfolg seines Buches vorhersehbar gewesen, noch lasse sich die Entwicklung der politischen Debatte vorauskalkulieren.
Natürlich hatte er auf viele Leser gehofft, ja auch auf Aufmerksamkeit – es sei unsinnig, das zu bestreiten, gibt er zu. Schließlich schreibe niemand ein Buch mit dem Ziel, möglichst unbemerkt zu bleiben. Aber sein Anliegen bestand, wie er betont, vor allen Dingen darin, die Ursachen der Weltfinanzkrise für ein breites Publikum auszuleuchten. Dass er in der schwierigen Rolle des Krisenmanagers zudem eine gute Figur gemacht hat, sagt er nicht. Aber klar ist, dass er sich gerne daran erinnert und dieses Kapitel ebenso gerne aufschreibt. Und da er in den Jahren als Bundesfinanzminister nie dazu gekommen sei, sich auch um andere Politikfelder zu kümmern, habe er endlich einmal die Gelegenheit ergriffen, seine Gedanken zum Sozialstaat, zur Europapolitik, zur SPD oder zu der delikaten Beziehung zwischen Politik und Medien aufzuschreiben.
Eines jedoch habe er nie im Sinn gehabt, beteuert Steinbrück, nämlich den Neustart seiner politischen Karriere. Er weiß natürlich, dass sich die Dinge aus heutiger Sicht etwas anders darstellen und dass es deshalb vielen schwerfällt, seine Version vom fest geplanten Ausstieg aus der Politik zu glauben. Dennoch hat er in den letzten Jahren mehrfach versichert, dass er nach der Niederlage von 2009, und damit zum Zeitpunkt der Niederschrift, wirklich ernsthaft seinen Rückzug plante. »Für mich war nach der Bundestagswahl klar: Gut, das war´s«, bekräftigt Steinbrück heute. Er habe damals sein Amt als stellvertretender SPD-Vorsitzender zur Verfügung gestellt und sich als normaler Bundestagsabgeordneter mit einem Sitz im Europaausschuss brav in der Fraktion eingereiht. Natürlich sei er nicht stumm geblieben, wenn die SPD ihn einmal um Rat fragte. Aber klar war für ihn nach dem Ende der Großen Koalition auch: »Ich habe keinerlei Ehrgeiz, in eine Führungsposition zurückzukehren.«
Doch was passierte dann? Wie kam
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