Steine der Macht - Band 4
den warmen Abendwind, der stets aus dem Norden wehte und welcher schon seit pharaonischen Zeiten die Schifffahrt auf dem Fluss überhaupt erst möglich machte.
Später dann, beim Abendessen auf der Nil Terrasse des Hotels, sagte Wolf:
„Franz hat zwar gemeint, dass wir das Tal der Hieroglyphen nicht besuchen werden können. Ich werde morgen aber trotzdem versuchen, dorthin zu gelangen. Ich war schon viele Male dort und die Felszeichnungen sind auch für mich jedes Mal wieder aufs Neue beeindruckend. Ich bin mir sicher, dass euch das gefallen wird.“
Am nächsten Morgen beim Frühstück berichtete Elisabeth: „Ich habe heute Nacht einen eigenartigen Traum gehabt, aber vielleicht war es auch gar kein Traum, denn es kam mir alles so wirklich vor. Ich setzte mich im Bett auf und sah im Halbdunkel des Hotelzimmers am Fußende des Bettes eine Frauengestalt stehen. Sie war mit einem hellen langen Gewand bekleidet und trug einen Stirnreif mit einer kleinen Scheibe, welcher an eine Pharaonenkrone erinnerte. Ich hatte überhaupt keine Angst. Die Gestalt strahlte eine würdevolle Ruhe aus und kam zu mir ans Bett. Ich erhob mich etwas. Sie streckte ihre Hand aus und hielt sie über meinen Kopf. In diesem Augenblick fiel ich nach rückwärts und muss wohl einen leisen Schrei ausgestoßen haben, denn Herbert wurde davon wach. Er fragte mich, was los sei. Ich konnte ihm anfangs gar nicht antworten, so benommen war ich.“
Herbert unterbrach Elisabeth und sagte: „Ich war mir sicher, dass sie nur etwas geträumt hatte. Der Tag gestern mit den vielen neuen Eindrücken war bestimmt anstrengend für uns alle. Aber gerade Elisabeth spürt dann so etwas besonders stark. So würde ich das sehen.“
Wolf wollte sich anfangs dazu nicht äußern, meinte aber dann doch: „Ich habe einmal ein ähnliches Erlebnis gehabt. Als ich nach einer Operation von der Intensivstation wieder ins Krankenzimmer zurückverlegt wurde, ist mir mitten in der Nacht etwas Ähnliches passiert. Da standen plötzlich vier ägyptische Gottheiten in Menschengröße am Fußende meines Bettes und nickten mir erhaben zu. Es waren würdevolle Gestalten. Isis, Osiris, Horus und Anubis konnte ich deutlich erkennen. Damals führte ich das auf eine Halluzination infolge der verabreichten Schmerzmittel zurück. Das Ganze war für mich aber dennoch ein sehr reales Erlebnis.“
„Ja“, sagte Elisabeth, „auch ich habe das gestern Nacht als sehr real empfunden.“
Herbert zuckte mit den Achseln und trank den Rest seines Kaffees aus.
Es wurde Zeit für die Rückfahrt.
Als sie dann durch die Stadt Luxor fuhren, sahen sie das wahre Ausmaß der Treibstoffknappheit. Überall waren Hunderte Meter lange Autokolonnen vor den wenigen Tankstellen zu sehen. Elisabeth meinte: „Nicht auszudenken, wenn wir gestern kein Benzin von dem Taxifahrer bekommen hätten.“ Worauf Wolf wieder einmal seinen berüchtigten Satz loswurde:
„Irgendwie gehts immer.“ Dabei fing er die Melodie vom Film Indiana Jones zu pfeifen an.
Eine knappe Stunde später erreichten sie die Abzweigung nach Quseir. Diese Straße führte durch das Tal der Hieroglyphen. Auf Arabisch hieß dieser Ort „Bir umm Fawakhir“, welcher nach dem dortigen Brunnen benannt war. Die Abzweigung war kaum zu erkennen, man glaubte, in einen Feldweg einzubiegen. Auf Elisabeths verwunderten Blick meinte Wolf nur lapidar: „Das sind eben ägyptische Nebenstraßen, aber keine Angst, in fünfzehn Kilometern kommen wir wieder auf eine schöne Straße und die Route ans Rote Meer hinüber ist gut ausgebaut.“ Sie hatten immerhin mehr als zweihundert Kilometer Wüste vor sich, aber zuvor sollte nach Franz’ Angaben der neue Checkpoint kommen.
Tatsächlich sahen sie schon von Weitem die Polizeistation mit den Sperrketten und Fässern, an denen man nur recht langsam vorbeifahren konnte. Nur ein einzelner Polizist mit seiner Kalaschnikow war etwas abseits des Wächterhäuschens zu sehen.
„Dreh dich nicht zu dem Posten, schau zur anderen Seite“, sagte Wolf Elisabeth, welche neben ihm auf dem Beifahrersitz saß, „sonst erkennt er an deinen langen Haaren, dass wir keine Einheimischen sind.“
Wolf versuchte, so normal zu fahren wie möglich, und hatte schon fast den Checkpoint passiert, als der Polizist „Stop“ rief. Aber anstatt anzuhalten, tat Wolf so, als hätte er das Rufen nicht gehört, und fuhr weiter. Auf ein zweites „Stop“ reagierte Wolf nun damit, dass er aufs Gaspedal stieg und bereits nach kurzer Zeit
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