Steine der Macht - Band 5
nicht im Geringsten daran, dass sich dabei irgendetwas ereignen könne.
Nach mehreren Versuchen zog Ulrike ihre Schultern hoch und meinte, dass das heute nichts würde.
Ich wollte aber einen Spaß machen und sagte zu ihr, dass ich nun eine Formulierung versuchen wolle. Es war kurz vor dem sechsten Dezember und am Tag davor gab es in unserer Gegend immer Krampusläufe. Verkleidete junge Männer liefen am Abend dieses Tages mit Teufelsmasken, Fellkleidung und Ruten durchs Dorf. Da hatte ich spontan eine Idee.
Nach kurzem Nachdenken hob ich beide Hände und sprach mit beschwörender Stimme: ‚Fürst der Finsternis, Satan, wir rufen dich! Komm herauf aus den Tiefen der Hölle und erscheine. Komm aus den Klüften des Untersberges hervor und zeige dich hier an unserem Tisch.‘
Ich fand das Ganze recht lustig und musste mir bei diesen Worten das Lachen verkneifen.
Ulrike war ob dieser meiner Worte total verängstigt und schaute im Halbdunkel des Raumes immer wieder nach links und rechts, ob da vielleicht tatsächlich eine Erscheinung auftauchen würde.
‚Was fällt dir ein? So etwas darf man nicht tun. Du kannst doch nicht den Leibhaftigen rufen!‘, sagte sie mit angstvoller Stimme.
Ich lachte und machte mit den Händen einige beschwörende Gesten, wobei ich die Anrufung wiederholte. Sie zuckte zusammen, als es plötzlich eiskalt im Raum wurde. So, als würde ein Fenster weit geöffnet sein, was natürlich nicht der Fall war. Zur Kälte gesellte sich dann ein heftiger Luftzug von der linken Seite. Die Kerzenflamme lag waagrecht und drohte zu verlöschen. Ulrike, welche ganz in der Nähe des Lichtschalters saß, war starr vor Angst und in diesem Moment gar nicht fähig, das Licht anzumachen. Auch mir rieselte ein kalter Schauer vom Genick bis in die Zehenspitzen hinunter. Nach einer Minute, die uns sehr lange erschien, hörte der Spuk auf. Seitdem habe ich so etwas nie wieder versucht. Aber ich war mir sicher, dass da eine Macht im Spiel war, deren Möglichkeiten jenseits unserer Vorstellung lagen.“
Alle schauten etwas ergriffen, als sich Claudia zu Wort meldete: „Also ich für meinen Teil würde so etwas erst überhaupt nicht tun. Da hab ich schon zu viel davon gehört. Ich hätte da einfach Angst davor.“
Kapitel 12 – Die dunkle Macht
„Ich kann euch zu dem Thema Teufel noch etwas erzählen“, begann Wolf von Neuem. „Keine zwei Jahre nach diesem Erlebnis fuhr ich in Gedanken versunken allein mit dem Wagen zu einem Geschäftstermin durch eine Wiesen- und Hügellandschaft nördlich des Salzburger Seengebietes. Ich hatte mir in der Woche zuvor Goethes Faust auf Video angesehen und stellte mir vor, dass es ganz angenehm sein müsse, so einen Mephisto zur Seite zu haben, der einem jeden Wunsch erfüllen könne. Man müsste ihm ja nicht gleich seine Seele verschreiben, dachte ich. Dass es diese dunkle Macht nun doch geben müsse, hatte ich ja bereits erlebt. Also sollte so ein Mephisto auch zu rufen sein. Ich wollte es jetzt wissen! Laut sprach ich während der Fahrt im Auto: ‚Mephisto, wenn es dich gibt, dann will ich dich sehen. Aber nicht irgendwann, sondern wenn ich jetzt dreimal mit den Fingern schnippen werde. Ich fuhr gerade auf einer schönen, breiten Straße leicht bergauf. An der rechten Seite war ein sehr steiler, etwa zehn Meter hoher Hang und oberhalb befand sich ein mit einem elektrischen Weidezaun umgebenes Plateau, auf dem Rinder grasten. Dann schnippte ich dreimal mit den Fingern und sagte dabei: ‚Jetzt!‘
Genau in diesem Augenblick sprang ein Rind von dort oben mit einem gewaltigen Satz über den Drahtzaun direkt in den Steilhang hinein und stand nach zwei weiteren Riesensprüngen mitten auf der Straße. Es war unvorstellbar, dass dieses Hunderte Kilo schwere Tier zu solchen Sprüngen fähig war und dabei nicht zu Fall kam. Der Stier, wie ich dann erkennen konnte, senkte die Hörner und begann, mit einem Huf auf dem Asphalt zu scharren.
Da es bergauf ging, konnte ich leicht bremsen und kam so unmittelbar vor dem schnaubenden Tier zum Stehen. Jetzt begann ich zu zittern. Ja, ich zitterte tatsächlich, bis hinunter zu den Fußknöcheln. Der Stier jedoch drehte sich zur Seite und ging langsam zum Straßenrand. Er begann dort friedlich zu grasen, so, als wäre nichts gewesen.
Das war meine zweite Begegnung mit dieser Macht, von deren Existenz ich nun endgültig überzeugt war.
„Da brauche ich jetzt etwas zu trinken“, meinte Herbert und bestellte sich bei der Kellnerin eine
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