Steine der Macht - Band 5
hat. Viel ist dabei nicht herausgekommen und auch die Gemeindechronik weiß nichts Genaues darüber zu berichten. Der weiße Felsspitz, auf dem der Vogel sitzt, soll den Marmorabbau darstellen, der dort seit längerer Zeit vonstattengeht.“
Claudia stutzte. „Marmor und ein Rabe? Beides kommt auch am Untersberg vor. Ich habe gar nicht gewusst, dass auch dort in den Bergen Marmor gebrochen wird.“
„Ja, aber es kommt noch kurioser“, antwortete Wolf, „kurz vor Erreichen dieser Gemeinde fährt man durch das winzige Dorf ‚Thomatal‘. Dort sieht man auf einer kleinen Wiese direkt vor der Kirche eine fast lebensgroße Statue eines Mannes auf einem Esel reitend. Es stellt den schon zu Lebzeiten berühmten Pfarrer Valentin Pfeifenberger dar.“
„Und was hat das mit den Raben zu tun?“, fragte Claudia.
„Nicht direkt mit den Raben, aber mit dem Untersberg“, antwortete Wolf.
„Dieser Pfarrer, der übrigens den Beinamen ‚Bischof vom Lungau‘ erhalten hatte, beschäftigte sich bereits während des Krieges im Jahre 1940 intensiv mit dem Untersberg. Er schrieb ein kleines Theaterstück, ‚Das Untersbergspiel‘, welches seit 1948 fortlaufend jedes Jahr dort in Thomatal vor dem Pfarrhof von Kindern aufgeführt wird. Und jetzt kommt das Interessante – die Aufführung dieses Schauspiels findet immer am fünfzehnten August jeden Jahres statt.“
„Das ist doch genau das Datum, an dem sich der Sage nach die Zauberhöhle am Untersberg öffnen soll, und auch die drei Deutschen sind doch damals 1987 am fünfzehnten August am Berg verschwunden“, erwiderte Claudia.
„Wahrscheinlich hat der Pfarrer sehr viel über die Geheimnisse des Untersberges herausgefunden, schade, dass ich ihn nicht mehr fragen kann. Er ist schon vor einigen Jahren verstorben, aber ich bin sicher, dass wir auch da noch allerhand herausfinden werden, denn …“, meinte Wolf, als ihm Claudia ins Wort fiel: „Irgendwie geht’s immer! Das wolltest du doch jetzt sagen, nicht wahr?“
Wolf zuckte mit den Achseln und meinte nur lapidar: „Wir werden nun umkehren und zu meinem Büro fahren, dann zeig ich dir das gefrorene Herz.“
Kapitel 11 – Die Benedictus-Kreuze
Innerhalb von zwei Wochen erfuhr Wolf von ganz eigentümlichen Begebenheiten, und zwar von vier unabhängigen Personen. Man könnte das wieder als einen der seltsamen Zufälle bezeichnen, die sich in Wolfs Nähe bisweilen zutrugen.
Die erste Sache war die von Max, dem Sohn eines Bekannten:
Max kletterte vorsichtig über die steile Rinne hinab auf den Grund der Schlucht am Fuße des Untersberges. Immer wieder suchte er nach einem Halt an den kleineren Bäumen, die vereinzelt in dem steilen Gelände wuchsen. Sein Vater wartete oben bei den alten Geleisen, direkt neben der verfallenen Hängebrücke, welche den Abgrund überspannte. Endlich hatte Max den Bachlauf erreicht, welcher sich tief unten zwischen größeren Felsblöcken einen Weg gebahnt hatte.
Max wusste eigentlich gar nicht, was ihn hierhergetrieben hatte. Vielleicht war es nur pure Abenteuerlust, in diese tiefe Schlucht, die bestimmt niemand aufsuchen würde, hinabzusteigen. Mühsam kletterte er über die Felsbrocken im Bachbett, um näher an die steil aufragende Felswand heranzukommen. Bei einem Blick nach oben konnte er jetzt die alte, verrostete Hängebrücke sehen, die sich hoch über ihm befand. An der Felswand angekommen, wollte er sich nach einem einfacheren Rückweg umsehen, da entdeckte er einige Meter vor sich ein Kreuz am Rande des Baches liegen. Es war ein Holzkruzifix von etwa zwanzig Zentimeter Länge mit einem metallenen Christus darauf und sah ziemlich neu aus.
Max bückte sich und nahm es an sich. Wahrscheinlich war es irgendjemandem von oben vom Weg heruntergefallen, dachte er zuerst. Aber es wies keine Beschädigungen auf, welche durch einen Fall aus so großer Höhe sicherlich entstanden wären. Verwundert steckte Max das Kreuz ein und machte sich auf den Rückweg. Wieder oben angekommen, begutachtete der Vater den Fund seines Sohnes.
„Das hat bestimmt noch nicht lange dort unten gelegen“, meinte er, nachdem Max es ihm gezeigt hatte, „sonst wäre das Holz aufgequollen und das Metall oxidiert.“
„Ja“, antwortete Max, „du hast Recht, aber wer sollte das Kreuz dort unten deponiert haben?“
„Ist irgendwie seltsam, dass sich da jemand solche Mühe machte, ein Kreuz dort in dieser unwegsamen Schlucht zu verstecken.“
Die zweite Begebenheit, welche ebenfalls so ein Kruzifix
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