Steine der Macht - Band 5
Sonnenbrille aus der Brusttasche seines T-Shirts und versuchte, durch die kleine Öffnung nach draußen zu schauen. Was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
Herbert und Elisabeth kamen nun auch in den Säulensaal und bemerkten, dass sie Wolf und Claudia aus den Augen verloren hatten. Sie riefen nach den beiden, doch die drei Meter dicken Säulen, welche zudem in ziemlich kleinem Abstand zueinander in der Halle standen, schluckten den Schall. Irgendwie war es hier unheimlich, denn es befanden sich auch keine Touristen in der großen Säulenhalle, und die beiden kamen sich verloren vor. Sie beschlossen, die Reihen systematisch abzusuchen.
Claudia zuckte zusammen. Sie hörte den dumpfen, metallenen Klang eines großen Gongs. Dann vernahm sie wieder ein unverständliches Gemurmel in einer fremden Sprache. Sie konnte sich nicht vorstellen, woher das kam. Der Gang machte eine scharfe Biegung. Dahinter war alles auf einmal in ein diffuses Licht getaucht und sie konnte die Stufen einer Treppe erkennen, die steil nach oben führte. Kleine Luken auf der linken Seite ließen spärlich Licht herein, welches aber ausreichend war, um die Treppenstufen zu sehen. Claudia erschrak, als sie bemerkte, dass nach jeweils sieben Stufen immer ein großes Loch in der Treppe klaffte. Diese Öffnungen schienen tief nach unten zu gehen. Sie befanden sich einmal auf der linken und dann wieder auf der rechten Seite. Für einen Besucher, welcher hier ohne Licht auf dieser Treppe gehen wollte, wäre es eine tödliche Gefahr gewesen. Claudia hörte von draußen eigenartige Gesänge, welche vom Klang kleiner Glöckchen begleitet wurden. Langsam begann sie sich darüber klar zu werden, dass sie in eine ferne Vergangenheit geraten sein musste. Dann erklang wieder der Gong. Langsam verblasste der Schein durch die Öffnungen in der Mauer und absolute Finsternis umgab die junge Frau. Sie saß in der Falle. An ein Zurückgehen war wegen der Öffnungen auf der Treppe unmöglich zu denken. Aber auch weiter nach oben zu gehen, wäre ein tödliches Risiko gewesen. Sie setzte sich auf eine der Stufen und wusste nicht mehr weiter.
Wolf konnte nur noch staunen. Es war die Spitze eines Obelisken, welche mit einer polierten Gold- und Silberlegierung verkleidet war, die das Licht der Sonne hier in diesen engen Treppengang hereinspiegelte. Aber von den Obelisken im Karnak-Tempel hatte doch keiner solch eine funkelnde Spitze! Nur aus den Überlieferungen war bekannt, dass es einst im Altertum, in der Zeit der Pharaonen, so gewesen sein sollte. Aber das müsste bedeuten, dass er sich in der Vergangenheit befand. Weit in der Vergangenheit, so an die viertausend Jahre. Unvorstellbar, hier musste es ebenfalls ein Zeitphänomen wie zu Hause am Untersberg geben.
Er ging weiter und folgte einer Abzweigung nach rechts. Hier führte der Gang waagrecht geradeaus. Aus einiger Entfernung konnte er eine größere Öffnung in der Pylonenwand sehen. Darin stand regungslos eine Gestalt mit einer Maske. Wolf hatte seine kleine LED-Lampe bereits abgeschaltet, um Batterien zu sparen, und ging leise auf die Person zu.
Mit einem langen, hellen Gewand bekleidet, stand die Gestalt, von der er nicht wusste, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, mit gekreuzten Armen in der Öffnung, welche sich hoch oben im Erscheinungsfenster des Pylons befand.
Wolf ging weiter auf die Gestalt zu, die sich plötzlich umdrehte und ihn unvermittelt ansah.
Er erschrak zutiefst. Der Mann hatte seine Maske abgenommen und schaute Wolf an. Im diffusen Licht konnte er erkennen, dass das kein Ägypter war! Der Mann hatte eine helle Hautfarbe!
Um das Gesicht genauer sehen zu können, drückte er rasch auf den Knopf der Lampe auf seiner Stirn. Der Schein blendete den Mann, der daraufhin einen kurzen Schrei ausstieß. Wolfs LED-Lampe musste ihn so erschreckt haben, dass er sich vor ihm auf den Boden warf. Auch er selbst war etwas verstört und fragte unvermittelt die am Boden kauernde Gestalt: „Wo geht’s hier wieder nach draußen?“ Wolf hatte diese Worte in seiner eigenen Sprache gesagt, ohne zu wissen, ob der andere überhaupt etwas davon verstand. Anstatt einer Antwort sprang der Mann auf und hastete den Gang entlang, der immer noch durch kleine Öffnungen von der funkelnden Obeliskenspitze beleuchtet wurde. Jetzt erklang abermals der Gong und das Licht im engen Gang wurde rasch schwächer, bis es absolut dunkel wurde.
Wolf versuchte, so gut er konnte, dem Mann zu folgen, verlor ihn aber
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