Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
Menschen klingen einfach zu fantastisch, als dass man ihnen glauben konnte. Aber auch ich habe keine Erklärung dafür, wie so etwas möglich sein könnte und warum das nur hier um den Untersberg passieren soll.“
Für Wolf, der bereits ähnliche Geschichten in alten Büchern gelesen hatte, waren die Erzählungen des Pfarrers nicht ganz unbekannt.
„Möglicherweise hat das etwas mit den sogenannten ‚Kraftplätzen‘ zu tun“, meinte er.
„Das könnte durchaus sein“, erwiderte der Pfarrer, „denn solche Kraftplätze sind doch Orte, an denen in irgendeiner Weise einmal eine starke Macht ausgeübt wurde, sei es von Menschen oder der Natur. Und Sie müssen wissen, dass eine Macht, in welchem Sinne auch immer, die Zeiten überdauert. Ich selbst habe das in meinem Amt als Priester nur zu oft erfahren. Kraftplätze, heilige Orte, aber auch unheilige, negative Plätze, haben doch alle eines gemeinsam – dort wurde Macht ausgeübt.“ Der Pfarrer nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas und sprach weiter:
„Und so banal es auch klingen mag, an solchen Orten kann man sich mit jener noch so latenten Kraft in Verbindung setzen. Zumindest aber können einige Menschen diese Kräfte auch spüren. Denken Sie an die vielen Wallfahrtsorte! Aber, wie gesagt, das können auch Plätze sein, an denen in fernster Vergangenheit mächtige Riten durchgeführt wurden. So ist es auch bei Ritualgegenständen. Ob es sich dabei um ein Amulett, einen Ring oder ein sakrales Artefakt handelt: Nicht der Gegenstand selbst, nein, die ihm anhaftende, verliehene Macht ist es, die spürbar nachwirkt. Macht überdauert eben die Zeiten.“
Wolf stutzte bei diesen Worten des alten Priesters. Würde das dann auch bedeuten, dass in dem unterirdischen Gewölbe, in dem die Generäle ihre Rituale durchgeführt hatten, auch eine solche Kraft vorhanden war? Linda und auch er selbst hatten doch dort oben solche seltsamen Empfindungen gehabt. Wahrscheinlich könnte dieser Ort dann auch heute noch aktiviert und dessen Macht benutzt werden? Ihm kam da ein Gedanke.
Er bedankte sich, dass sich der Geistliche die Zeit für ein Gespräch genommen hatte, und fuhr anschließend wieder nach Hause.
Kapitel 16
Wir sind hier
Wolf ging das Gespräch über die Kraftplätze nicht aus dem Sinn. Sollte es tatsächlich möglich sein, dort mit Energien oder Mächten in Kontakt zu kommen, so wie der alte Pfarrer es ihm gesagt hatte?
Er rief Linda an. „Ich möchte mit dir nochmals zu dem runden, unterirdischen Gewölbe. Vielleicht können wir etwas herausfinden. Du hast dort doch etwas gesehen und gespürt.“
Linda, der es nicht ganz wohl bei dieser Sache war und der der Schreck noch vom letzten Mal in den Gliedern saß, meinte: „Ich weiß nicht so recht. Was sollte deines Erachtens nach denn dort oben noch zu finden sein?“
„Ich glaube, dass wir, wenn der Pfarrer Recht hat, diese Macht dort in dem N3-Gewölbe aktivieren könnten“, antwortete Wolf.
Linda lachte. „Wie stellst du dir das denn vor? Sollen wir beide da hineingehen, in der Schale Feuer machen und dann irgendwelche Zaubersprüche aufsagen?“
„Nein“, antwortete Wolf, „aber lass es uns doch einfach mal versuchen.“
Linda ließ sich überreden. Wolf packte eine Schachtel mit Spirituswürfeln und zwei starke Lampen sowie seine Kamera in den Rucksack.
Wieder war es Abend, als die zwei auf der ehemaligen Jagdstraße von Hitler mit ihrem Wagen stehen blieben, um die wenigen Meter zum Eingang des N3 zu Fuß zu gehen. Es war noch nicht vollkommen dunkel, und so verzichteten sie auf ihre Lampen. Sie wollten auf keinen Fall gesehen werden.
Als sie beim freigeschaufelten Schacht angekommen waren, half Wolf Linda dabei, hinunterzusteigen. Jetzt erst wurden die Taschenlampen eingeschaltet. Die Pfützen am Boden waren mittlerweile völlig aufgetrocknet, und auch von dem modrigen Geruch war kaum mehr etwas zu bemerken. Da nun auch die Wände trockener zu sein schienen, hallten ihre Schritte irgendwie seltsam in dem Gang. Sie durchschritten den Eingang mit der umgestürzten Holztür. Wolf ging zielstrebig zu der im Zentrum des roten Ziegelgewölbes stehenden Bronzeschale. Er legte die Spirituswürfel in die Mitte und nahm sein Feuerzeug heraus, um die Würfel zu entzünden. Linda schritt inzwischen gemächlich, ja beinahe andächtig den Kreis des Gewölbes ab, wobei sie bei jeder der zwölf Säulen am Rand etwas verweilte. Als sie bei der letzten Säule angelangt war, brannte bereits das Feuer in
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