Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
seinem Lederbeutel noch einen Silbertaler und hielt ihn dem Wirt hin. „Dafür fährt Er uns doch bestimmt bis an den Untersberg heran?“
Der Mann nickte erfreut. „Ja Padres, ihr müsst mir nur sagen, wohin ich euch bringen soll.“
„Ein Stück nach der Kirche von Grafengaden, direkt am Weg nach Schellenberg“, antwortete Wolf und der Zweispänner setzte sich wieder in Bewegung.
Gleich am Ende der Stadt kam dann schon der majestätische Untersberg in Sicht.
Bis sie aber dort ankamen, würden sie noch eine Stunde auf der Kutsche sitzen müssen. Linda hatte bereits Hunger und fragte, ob sie nicht irgendwo zum Essen einkehren könnten, aber Wolf meinte: „Warte noch ein wenig. Wir sind bestimmt in zwei, drei Stunden wieder zurück in unserer Zeit, und dann lade ich dich ein. Ich hoffe, du verhungerst bis dahin nicht.“ Anstatt eine Antwort zu geben, blickte sie Wolf nur finster an.
„Das Reisen vor zweihundert Jahren war bei Gott nicht bequem, und stell dir das Ganze erst einmal bei Regen oder Schneefall vor“, sagte Wolf, der von der Rüttelei auch schon etwas genervt war.
Sie fuhren auch wieder beim alten Gasthof mit dem Marmorbrunnen vorbei.
Der Schornwirt selbst war diesmal nicht vor dem Gasthof zu sehen. Wolf erklärte dem Kutscher, wo ihr Ziel war, und nach wenigen Minuten hielt das Gespann an jener Stelle, wo sie zur Felswand gehen mussten. „Hier müsste unser Wagen geparkt sein“, meinte Wolf leise zu Linda, während er ihr vom Wagen half, und deutete dabei auf eine verschneite Waldlichtung.
Sie verabschiedeten sich und gingen auf den Wald zu. Es musste auch in dieser Gegend während des letzten Tages geschneit haben, denn von ihren Spuren am Vortag war nichts mehr zu sehen.
Linda entdeckte den Soldaten zuerst. Er stand direkt an der überhängenden Felswand. Seine Maschinenpistole trug er umgehängt und in seiner schwarzen Uniform sah der SS-Mann sogar etwas furchteinflößend aus.
„Gott zum Gruß! Zwei Wandermönche begehren Einlass“, sagte Wolf zum Spaß zu ihm, und der Soldat war sichtlich erleichtert, als er die beiden wieder wohlbehalten zurückkommen sah. Er schritt auf die Felswand zu, und die Tür öffnete sich. Drinnen war es wieder behaglich warm. Obersturmbannführer Weber war schon zur Stelle. „Melde gehorsamst, keine besonderen Vorkommnisse!“, sagte Wolf ebenfalls aus Spaß, worauf Weber schmunzelnd antwortete: „Solche militärischen Worte aus dem Munde eines Mönches klingen äußerst ungewöhnlich.“
Sie verabschiedeten sich vom Obersturmbannführer, der mittlerweile am Portalmechanismus hantierte und die Zeiteinstellung vornahm. Nachdem er die Tür wieder geöffnet hatte, verabschiedeten sie sich von ihm und Weber meinte noch: „Der General lässt ausrichten, dass Sie bei Gelegenheit versuchen sollten, eine Verbindung zu den Anderen herzustellen.“
Jetzt betraten sie wieder das einundzwanzigste Jahrhundert. Es war später Nachmittag in der Gegenwart vor der Tür, und es würde gleich dunkel werden.
Draußen vor der Felswand lag, genauso wie beim ersten Hineingehen, noch kein Schnee, aber das konnte sich mit jedem Tag ändern, schließlich war ja bereits Adventszeit.
Ihr Wagen stand auf dem Parkplatz der alten, verlassenen Grenzstation. Wolf nahm den Autoschlüssel aus seiner Kutte, und sie setzten sich ins Fahrzeug. Er startete den Motor und schaltete die Heizung ein.
Linda streckte sich und meinte: „In deiner Kutsche sitzt man doch viel bequemer, als auf dem Zweispänner.“ Er erwiderte: „Das nennt man eben Entwicklung. Wer weiß, was in hundert Jahren noch alles kommen wird?“ Sie fuhren gleich los, und bereits nach zwei Minuten bogen sie an der Kreuzung beim alten Gasthof rechts zum Marmorbrunnen ein. Wolf hielt seinen Wagen an. „Kaum vorstellbar, dass wir vor einer halben Stunde mit der Kutsche hier am Brunnen vorbeigefahren sind. Vor fast zweihundert Jahren!“
Der Adventmarkt hinter dem Brunnen war bereits aufgebaut, und zwischen den schön geschmückten Holzhäuschen mit ihren weihnachtlichen Beleuchtungen tummelten sich viele Besucher. Von weiter hinten erklang Weihnachtsmusik.
Linda schaute aus dem Wagenfenster und meinte: „Leider können wir in unserer Mönchskleidung hier nicht aussteigen. Ich würde nämlich zum Abschluss unserer Reise gerne noch durch den Adventmarkt gehen.“
„Kein Problem“, sagte Wolf und fuhr wieder weiter, „dann ziehen wir uns eben zu Hause um. In einer Stunde können wir wieder hier sein. Dann sehen
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