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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Mann und
seinen Hund.
    "Was denken Sie, was das hier ist?" fauchte
Fabian. "Ein öffentliches Hundeklo? Haben Sie keinen eigenen Garten?"
    Es war den Schatten- und Lichtverhältnissen dieser
laternenbeleuchteten Einfahrt zu verdanken, daß Fabian zwar deutlich den Hund
wahrnehmen konnte, von dessen Besitzer allerdings nur die untere Hälfte zu
sehen bekam, während der obere Teil fest im Schatten einsaß, geradezu wie bei
einer Skulptur, deren Beine und Unterleib detailgetreu herausgemeißelt sind,
der Rest jedoch im massiven Block eingeschlossen bleibt.
    "Sehen Sie zu, daß Sie mit Ihrer Promenadenmischung
da wegkommen", sagte Fabian, schien aber nicht die Zeit zu haben, sich
persönlich um die Entfernung von Hund und Mann kümmern zu können. Vielmehr
trat er an Rosenblüt vorbei hinter das Haus, dorthin, wo sein Wagen parkte.
     
    Ein weiteres Mal war hier also eine Art von Unsichtbarkeit
gegeben. Das konnte kein Zufall sein. Obgleich, versteht sich, all diese Ereignisse
einen natürlichen Hintergrund besaßen - die Spiegel und die Dunkelheit sowie
die Positionen der Figuren zueinander, das Licht und der Schatten -, war dies
ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie es wohl wäre, wenn die Welt nach und nach
verschwinden würde. Ja, man kann vielleicht sagen, daß bereits der Umstand, daß
Wolf Mach sich auf Fliesen oder in Spiegeln und auf Scheiben kaum noch hatte
erkennen können, mehr war als ein sehr persönliches Dorian-Gray-Phänomen.
Vieles würde nach und nach verlorengehen: Gesichter, Gebäude, ganze Menschen,
Autos ... na, die Autos vielleicht nicht. Denn auch Autos waren schließlich
Maschinen. Somit nicht wirklich Geschöpfe der Menschen, sondern ferne Verwandte
jener einstigen Apparaturen, die ein maschinenhafter Gott in die Welt gestellt
hatte. Gleichzeitig waren die Autos ihrerseits ein ganz guter Beweis für die
Degeneration vieler Maschinen. Sie hatten sich in hirnlose Knechte verwandelt,
sie waren nicht mehr Herren über die Welt, sondern Domestiken. Daß sie diese
Welt mit ihren Abgasen verpesteten, die Städte verstopften, eine abstruse
Ökonomie entscheidend mitprägten und gerade mittels ihrer Dienerschaft den
Großteil der Menschheit in eine Abhängigkeit gebracht hatten, nun, das war
wahr, aber kaum geeignet, die Würde und Intelligenz ihrer Urväter zu
behaupten.
    Auch die Eisenbahnen waren selbstredend Nachfahren der
gottgleichen Maschinen. Und man mußte wirklich kein Autofeind sein, um zu
ahnen, wieviel mehr diese Loks und Züge, wieviel mehr die Gleisreihen im
Vorfeld der Bahnhöfe und die Gleisschlangen, die sich durch die Länder zogen,
der Eleganz und Erhabenheit der "vormenschlichen Maschinenwelt"
entsprachen. Vor allem Leute wie Fabian wußten das. Sie waren voller Zorn gegen
die Bahn. Die größten Bahnverächter waren jene Manager und Wissenschaftler,
welche die Zukunft der Bahn zu bestimmen hatten, ein Bahnchef war heutzutage
immer auch ein Bahnhasser und ein Bahnmörder. Solche Personen wurden eingeschleust,
um die Bahn zu zerstören, um die Bahn unter die Erde zu bringen, sie dort für
alle Zeiten zu begraben und dem Autoverkehr zu seinem Sieg zu verhelfen. Die
Fabians an allen Orten hofften, mit der Zerstörung des Bahnwesens und einer
weiteren Stärkung des Autoverkehrs letztlich die göttliche Erhabenheit der
ursprünglichen Maschinenwelt weitmöglichst ausmerzen zu können. Jede Maschine
auf der Welt sollte genauso degeneriert sein, wie Autos das waren. Jede Kaffeemaschine
ein Audi, jeder Computer ein Toyota.
     
    Fabian war in seinen Wagen gestiegen und losgefahren.
Rosenblüt hob Kepler hoch, um rascher zu seinem eigenen Auto zu gelangen. Er
plazierte den kleinen Hund auf der Rückbank und sagte etwas Nettes, weil das
Nette gerade in Momenten der Hetzerei nachhaltig wirkt, während es in ruhigen
Momenten eher einer Platitüde gleicht. Das wahrhaft Nette benötigt Zeit, die
nicht vorhanden ist. Und als nun Rosenblüt endlich hinter dem Steuer Platz
nahm, da war der Professor längst um die Ecke gefahren. Doch Rosenblüt bewahrte
Ruhe. Er unterließ es, wie verrückt aufs Gas zu steigen, sondern lenkte seine
Wagen regelkonform in südöstliche Richtung. Alsbald entdeckte er die
Rücklichter, die Fabians alter Jaguar in die Nacht streute.
    Hinter der Staatsgalerie - dieser postmodernen Ausformung
einer einzigen gewaltigen Erbsenschote - parkte Fabian seinen Wagen und ging zu
Fuß weiter, wobei er die Unterführung nahm, die zum Mittleren Schloßgarten
führte, also genau

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