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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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verließ.
    "Mein Name ist Lundquist", stellte sich Tobik
vor, einen Decknamen wählend, der ihm erst im letzten Moment in den Sinn
gekommen war. - Wobei die späte Wahl Absicht war, denn durchdachte Decknamen
waren nicht ungefährlich. Sie verrieten oft die Persönlichkeit dessen, der
sich da zu tarnen versuchte, wie man unschwer an dem Münchner Cineasten namens
Lynch sehen konnte. Tobik hingegen hatte nicht die geringste Ahnung, wie er auf
den Namen Lundquist gekommen war. Er hatte es weder mit Schweden noch Dänen. Es
war allein der Klang, gleich einer Melodie, die einem in den Sinn kommt, ohne
daß man sagen könnte, was für ein Lied das ist.
    Der Mann, der Sami war - denn wer sonst sollte er sein? -,
betrachtete sein stehendes Gegenüber mit schräggestelltem Kopf, einem Kopf,
der ziemlich an El Greco erinnerte. Der ganze Mann war ein schmaler
El-Greco-Mann und würde dann wahrscheinlich mit den Jahren ein Modigliani-Mann
und im hohen Alter ein Giacometti-Mann werden, bevor er schließlich von jenem
Raum verschluckt werden würde, der blasenartig die beiden Lautsprecherboxen
verband. Aber dafür war noch Zeit. Der El-Greco-Mann Sami erhob sich, ging auf
Tobik zu und sagte: "Ich kenne Sie nicht, Lundquistquast, oder wie Sie
heißen, warum sollte ich Ihnen etwas verkaufen, alter Mann?"
    "Darum bin ich ja hier, weil Sie mich nicht kennen.
Und genau so soll es bleiben. Ich möchte ein Präzisionsgewehr, und ich möchte,
daß Sie mir erklären, wie damit umzugehen ist. Hege und Pflege und Anwendung.
Wenn Sie dafür wissen müssen, wer genau ich bin und was ich tue, dann lassen
wir es eben bleiben. Wenn aber nicht, zahle ich den Preis, den Sie verlangen,
und werde Sie nachher nie wieder belästigen. Ich brauche nur ein Gewehr in
diesem Leben und wüßte nicht, was Sie sonst noch für mich tun könnten. Ich will
kein Türkisch lernen, wenn Sie verstehen, was ich meine."
    Doch Sami erwiderte: "Mir haben schon viele Leute
etwas versprochen und es dann nicht gehalten."
    "Ja, so was führt zur Verbitterung, ich weiß. Um so
schöner, wenn es einmal anders ist. Lassen wir es anders sein."
    Sami blickte aus seinen kleinen Marzipanaugen zu dem höher
gewachsenen Tobik auf, lächelte und sagte: "Muß ich befürchten, Sie
morgen im Fernsehen zu sehen? Rubrik ,Durchgeknallt'?"
    "Keine Angst, das wird nicht der Fall sein, morgen
nicht und auch sonst nicht", versicherte Tobik, der ernsthaft überzeugt
war, die Dinge, alle Dinge im Griff zu haben. So bescheiden er auftrat, so
selbstbewußt.
    Sami zögerte. Er murmelte, als rede er mit jemandem
Dritten. Vielleicht mit jemandem, der unsichtbar in der Stereoanlage hockte.
Endlich tat Sami seinen Mund wieder ganz auf und sagte: "Na gut, alter Mann,
machen wir den Deal. Allerdings müßte ich wissen, worauf Sie schießen wollen."
    "Ich will treffen", erklärte Tobik, "darauf
kommt es an. Aber sagen wir mal, ich möchte einen Punkt treffen."
    "Und wo liegt der Punkt begraben? In einem Karnickel
oder zwischen den Augen einer untreuen Frau? Oder wollen Sie einen Hubschrauber
abschießen?"
    "Sagen wir, ein Karnickel."
    "Also ein weiches Ziel. Zumindest verglichen mit
einem Hubschrauber oder einer Frau." Sami grinste. - Angesichts dieses
Grinsens drängte sich die Frage auf, ob El Greco eigentlich je ein zynisches
Wiesel gemalt hatte.
    "Ich hätte da was im Programm, das passen könnte",
sagte Sami, "wenngleich es keine Waffe für alte Männer ist. Andererseits,
wenn ich selbst mal alt bin, will ich auch nicht ohne ordentliche Ausrüstung
dastehen. Also: Ich hätte für Sie eine Arctic Warfare Covert, die ist schön
zerlegbar, und Sie kriegen den originalen Koffer dazu. Die AWs sind die besten,
wenn Sie mich fragen, alter Mann ... ich darf Sie doch alter Mann nennen?"
    "Wenn es Ihnen Vergnügen bereitet, von mir aus."
    "Gut", antwortete Sami, sagte nun aber kein
einziges Mal mehr "alter Mann", als hätte er die Lust daran
verloren. Statt dessen erklärte er, bei der AWC handle es sich um ein
englisches Modell. Er würde immer nur mit Westmarken handeln, aus Prinzip und
aus Aberglauben. Die russischen Waffen seien verhext. Bei dem einen Schützen
würden sie hervorragend funktionieren, beim nächsten hingegen sich sträuben.
Und: "Da kann man so gut zielen, wie man will, wenn eine Dragunow sich
dazu entschließt, danebenzuschießen, dann schießt sie auch daneben."
    Tobik fragte zurück: "Sie meinen, man müßte Russe
oder Kommunist oder so was sein, um ein solches Gewehr erfolgreich zu

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