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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Körperinneren, das in
Ansätzen dem eines menschlichen Wesens entsprach: ein Herz, eine Lunge, ein
Gewebe aus Adern, ein Klumpen im Kopf, der als Hirn durchging, schmale Bänder,
die eine Muskulatur nahelegten, allerdings keine Knochen. Aber wenn man aus
Bronze war, war es offensichtlich nicht notwendig, sich mittels eines eigenen
Grundgerüsts aufrechtzuhalten.
    Mach drang nun tiefer in diesen Körper ein, dorthin, wo er
schon immer etwas Ungewöhnliches erwartet hatte, ins Zentrum des humanoiden
Gebildes. Ein Zentrum, das auf den tomographischen Aufnahmen des "Originals"
als reine Leere erschienen war. Aber dieses Zentrum war nicht leer, in ihm ...
Gott, was war das?
    Ein Objekt im Objekt. Etwas Kleines in etwas Großem, nur,
daß dieses kleine Ding keineswegs irgendwie befestigt war oder auf einer Fläche
auflag, sondern es schwebte, um jetzt nicht zu sagen: es schwamm. Denn Mach
erkannte mit einem Blick, daß es sich bei diesem Miniaturkorpus um die stark
verkleinerte, noch unausgereifte Form dessen, nein deren handelte,
die diesen Miniaturkorpus in sich trug. Noch klarer gesagt: Wolf Mach mußte
feststellen, es nicht mit einem schlafenden Krieger, sondern mit einer
schlafenden Kriegerin zu tun zu haben, zumindest wenn man in jenem
traditionellen Muster dachte, daß nur Frauen Kinder gebären. Außer man spricht
von Seepferdchen. Aber diese Figur war ja nun überdeutlich kein Seepferdchen,
sondern menschenähnlich, zudem waren die beiden Schwertscheiden zu erkennen,
die in der zusammengepreßten Armbeuge und über den Bauch führend plaziert waren
und auf alte Handwerkskunst verwiesen.
    Kingsley brachte es auf den Punkt: "Scheiße, die
Maschine ist schwanger. Zumindest auf dem Bild hier."
    "Exakt", sagte Mach und handelte mit rascher
Entschlossenheit. Er übertrug die Bilder auf einen USB-Stick, sodann löschte er
sämtliche Daten aus dem Computer. Man kann sagen, er wischte auf.
    "Wieso tun Sie das?" fragte Kingsley.
    "Na, warum glauben Sie? Vielleicht, weil ich den
Leuten nicht traue, für die ich hier arbeite?"
    "Das glaubt Ihnen sowieso keiner. Alle werden denken,
es seien manipulierte Bilder. Man kann ein Spiegelbild nicht röntgen."
    "Sie haben es doch gesehen."
    "Ich weiß nicht, was ich gesehen habe. Ich könnte
versucht sein, das Ganze für einen Trick zu halten, den Sie sich ausgedacht
haben, um noch mehr aus der Sache zu holen, als ohnehin schon drinsteckt."
    "Hören Sie", sagte Mach und zeigte auf den
Schloßgarten-Mechanismus, "wir haben es hier mit einem unglaublichen
Objekt zu tun. Wir müssen da ganz behutsam vorgehen. Mit aller Vorsicht. Sie
sagen es richtig: Die Maschine ist schwanger, eine schwangere Kriegerin, die
schläft."
    "Wollen Sie dazu nicht einen Bericht in der Stuttgarter
Zeitung schreiben?"
    "Na, um ehrlich zu sein", antwortete Mach, "dachte
ich eher an Nature oder Science, aber dafür
ist es sicherlich zu früh. Sie haben recht, man wird mich einer Fälschung
bezichtigen."
    "In erster Linie, Herr Mach, wird man nicht zulassen,
daß Sie irgend etwas davon an die Öffentlichkeit bringen. Wenigstens, solange
Sie es nicht hinkriegen, dieses Ding von der Stelle zu schaffen, was auch immer
es nun darstellt oder anstellt."
    Im gleichen Moment, da Kingsley dies aussprach, packte sie
Machs geschlossene Hand, darin der USB-Stick. Gar keine Frage, Kingsley wäre in
der Lage gewesen, Mach sämtliche Finger zu brechen oder wenigstens einen derart
schmerzhaften Druck zu verursachen, daß er das kleine Speichergerät sofort
hätte freigeben müssen. Aber da war kein Druck, sondern eine bloße
Umklammerung, so, als halte einer die Hand des anderen, so, daß zusammen mit
dem USB-Stick eine zwiebelartige Dreifaltigkeit entstand. Was natürlich nichts
an der Überlegenheit dieser Umklammerung änderte. Weshalb Mach seine Faust
löste, so daß die eigene Hand sich zusammen mit jener Kingsleys aufrollte, und
den lippenstiftartig geformten Datenspeicher offenbarte. Mit der anderen Hand
griff Kingsley danach und schloß ihrerseits eine Faust darum.
    "Ich kann Sie nur bitten", beschwor Mach, "das
nicht an Palatin weiterzugeben. Er wird kaum den Wert dieser Entdeckung sehen,
sondern nur die Bedrohung für das Bauprojekt."
    "Das ist seine Aufgabe", sagte Kingsley, "Bedrohungen
wahrzunehmen und zu beseitigen."
    "Und Ihre Aufgabe ist es, mich zu schützen."
    "So lange mein Auftraggeber mich dafür bezahlt,
richtig. Mein Auftraggeber ist aber Palatin."
    Wolf Mach vollzog eine schalenförmige Geste, was aussah,

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