Steinhauer, Franziska
Ihrem Keller kommen gehört. Unmittelbar, bevor die Glocke Ihre Jünger zur Versammlung rief. Sie sehen, die Menschen in Ihrer näheren Umgebung wissen schon ganz gut über Ihre Gepflogenheiten Bescheid.“
„Und? Da hat Ihre Zeugin wohl einige Dinge missinterpretiert. Die Mitglieder der Kinder Lucifers sind keine Babys. Es sind erwachsene, selbstbestimmte Menschen, die ihren Weg aus freien Stücken zu uns finden.“
„Später wimmerte der Säugling nur noch, und in den frühen Morgenstunden beobachtete sie, wie ein Sack hinausgetragen wurde. Sie ist davon überzeugt, dass hier ein rituelles Menschenopfer zelebriert wurde“, fuhr Klapproth unbeirrt fort.
„Menschenopfer? Im Zeitalter wissenschaftlicher Methoden, die bei der Untersuchung von Mordschauplätzen eingesetzt werden, wäre das nicht nur illegal, sondern geradezu schwachsinnig. Wir müssten unsere Versammlungen dann bald im Gefängnis abhalten, nicht wahr?“, antwortete Nocturnus honigsüß und lachte dann heiser, als amüsiere ihn diese Vorstellung außerordentlich. „Eine schwarze Messe hinter Gefängnismauern, das wäre mal was Neues! Bedenken Sie, dass man den satanistischen Vereinigungen schon immer nachsagte, sie brächten Menschenopfer, damit man ihnen den Anschein des Bösen verleihen konnte. Aber sehen Sie sich ruhig um, Ihre Kollegen mit dem Luminol werden bestimmt auch gleich eintreffen.“
„Ja. Sicher.“ Doch Maja Klapproth wusste schon jetzt, dass die Polizei auch diesmal keinen Erfolg für sich würde verbuchen können. Sie hatte es gleich geahnt. Diese Satanistenmochten unheimliche, finstere Nachbarn sein, und jede ihrer Bewegungen schien den Menschen, die in der Straße wohnten, verdächtig.
„Wenn Sie später noch Fragen an mich haben sollten, wird man Sie zu mir führen“, erfuhr sie noch, dann verschmolz der Schatten wieder mit seiner Umgebung und war verschwunden.
Wenige Minuten später erhellten große Scheinwerfer den Raum, der sich erst jetzt in seinem ganzen Schrecken offenbarte.
Rote Rinnsale liefen an den schwarz getünchten Wänden nach unten und symbolisierten Blut – doch die unzähligen braunen Flecken und Schleifspuren auf dem Opferstein und dem Boden um ihn herum waren echt. Das Blut war sogar bis auf die untere Spitze des umgedrehten Kreuzes gespritzt. Die Kollegen von der Spurensicherung versprühten Luminol, und als das ultraviolette Licht eingeschaltet wurde, bekam selbst Klapproth, die nicht leicht zu erschüttern war, weiche Knie. Es leuchtete wie in einem Schlachthaus: Spritz-und Schleuderspuren, blutige Fingerund Handabdrücke, Wischspuren.
Sie schauderte.
Nachdem die Scheinwerfer wieder eingeschaltet waren, hielt der Polizeifotograf eifrig jeden Winkel des rituellen Raumes in Bildern fest.
An den Wänden hingen mehrere Totenschädel, Oberschenkelknochen und ein blutverschmiertes weibliches Becken. Hinter dem Opferstein fand sich eine beeindruckende Säbelsammlung – an deren sämtlichen Spitzen sich Blutanhaftungen nachweisen ließen.
An der nach Süden gerichteten Wand stand in silbernenGroßbuchstaben SATAN, nach Osten LUCIFER, nach Norden BELIAL und nach Westen LEVIATHAN.
Von überall her glotzten sie Masken mit roten Augen an, ein Baphomet mit dem Kopf Satans schmückte die eine, ein Zodiak, der Tierkreis, die gegenüberliegende Wand.
Als Maja Klapproth zu Boden sah, entdeckte sie, dass auch der Opferstein in der Mitte eines riesigen, um hundertachtzig Grad gedrehten Pentagramms stand.
Konkrete Hinweise auf die Anwesenheit oder gar Tötung eines Säuglings fanden sich jedoch nicht.
Der Müll der Kinder Lucifers wurde beschlagnahmt, einige der Sektenmitglieder aufs Präsidium mitgenommen und die Zeugin aus dem Seniorenheim einbestellt.
„Malte – haben wir nicht schon beim ersten Mal die bürgerlichen Namen von Nocturnus und den anderen beiden festgestellt?“
„Hab ich irgendwo hier“, er blätterte suchend in seinen Notizen. „Wie viele Satansjünger warten noch vor dem Büro auf das Gespräch mit uns?“
„Fünf.“ Maja Klapproth seufzte. „Da wir jedes Mal andere vorfinden und mitnehmen, sollten wir bald einen Überblick über alle Mitglieder gewonnen haben.“
Sie trugen bei einer Tasse Kaffee die bisherigen Ergebnisse zusammen.
„Zwei meiner Satanisten werden wegen Taschendiebstahls gesucht. Außerdem sind sie ihren Unterhaltspflichten als Familienväter nicht nachgekommen. Der Dritte ist uns unbekannt. Kein Eintrag unter seinem Namen, ein unbescholtener
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