Steinhauer, Franziska
man möchte?“, mauerte Dirk Stein.
„Nein, müssen Sie nicht. Solange die Kirche nicht verboten ist und die Sekte keine illegalen Dinge treibt. Wir waren in Ihrem Tempel“, Paulsen bemerkte, wie sein Gegenüber zusammenzuckte, „und dort war alles voller Blut. Wir interessieren uns nun dafür, wie es dorthin kam und vor allem von wem es stammt.“ Der junge Kripobeamte blieb freundlich.
„Sie waren im Tempel? Das wusste ich ja gar nicht! Ihre Leute haben mich in der Küche angetroffen und sich unverschämterweise erlaubt, mich mitzunehmen“, empörte sich der Kunstkritiker.
„Das Blut im Tempel“, insistierte Paulsen, „wie kommtes an Wände und Opferstein, an die Stuhllehnen, den Boden, sogar ans Kreuz – überallhin?“
„Darauf muss ich nicht antworten! Ich verlange einen Anwalt!“
„Aber Herr Stein, ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Wir möchten von Ihnen doch nur ein paar Informationen zum Hintergrund Ihrer Gruppierung. Da ist doch nichts dabei.“
„Wegen der geheuchelten Freundlichkeit von Menschen wie Ihnen bin ich schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. Nach außen hin entgegenkommend, doch im Herzen plant jeder nur den Untergang des anderen! Damals habe ich beschlossen, mich denen anzuschließen, die von sich aus behaupten, Egoismus und Hass seien ihre Leitmotive! Das ist wenigstens ehrlich!“, fuhr Dirk Stein den Ermittler mit hochrotem Gesicht an, dann ließ er sich schwer atmend auf seinen Stuhl zurücksinken und sagte kein Wort mehr.
Der Kopf mit den kleinen weißen Löckchen wackelte unrhythmisch auf dem faltigen Hals hin und her.
Elvira Pfefferles Hände strichen permanent über ihren faltenlos über die Oberschenkel gedehnten Rock hinweg, und ihre Augen irrten haltlos im Raum umher.
Maja Klapproth zog ihren Stuhl hinter dem Schreibtisch hervor, setzte sich der Zeugin direkt gegenüber und fing ihre rastlosen Hände ein, die von einem Geflecht dicker, blauer Venen überzogen waren.
„Frau Pfefferle, Sie brauchen wirklich nicht nervös zu sein. Ich tue Ihnen doch nichts.“
Die Zeugin sah ihr direkt ins Gesicht, und Maja Klapproth entdeckte Tränen in den blassgrauen Augen der alten Dame.
„Heute Nacht werden sie mich holen! Bestimmt. Der Teufel ist allwissend – er kennt mich“, erklärte sie mit brechender Stimme, und ihre bläulichen Lippen bebten.
„Niemand weiß, wer die Sekte angezeigt hat. Wir haben Ihren Namen nicht genannt. Sie brauchen also keine Angst zu haben“, versuchte die Ermittlerin die Zeugin zu beruhigen.
„Ach, Sie verstehen das nicht!“, antwortete Elvira Pfefferle trotzig.
„Was meinen Sie damit?“
„Manchmal frage ich mich wirklich, was die Lehrer ihren Schülern heute noch beibringen! Wissen Sie denn nicht, dass Gut und Böse einander bedingen? Das göttliche Sein und das teuflische Wesen sind ohne einander nicht denkbar. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Und so könnte man sagen, Gott und Satan sind so etwas wie zwei Brüder oder die zwei Wesenheiten eines Schizophrenen. Gott ist allwissend – aber Satan eben auch. Er braucht kein menschliches Wesen, das ihm verrät, wer seine Anhänger angezeigt hat. Er weiß es! Und er wird Rache nehmen!“, erklärte Frau Pfefferle überzeugt.
„Wie wird er das tun? Wir könnten Sie heute Nacht an einem unbekannten Ort unterbringen – unter polizeilicher Bewachung“, schlug Klapproth der aufgeregten Frau vor.
„Das ist ja das Problem! Die meisten Menschen glauben, dass sie alles im Griff hätten, weil das Metaphysische für sie nicht mehr vorstellbar ist. Sie können mich doch nicht vor Satan beschützen! Niemand kann das!“ Mit diesen Worten zog sie ihre Hände aus denen der Ermittlerin und holte ein zerknülltes Taschentuch aus ihrem Rockbund hervor. Sie wischte sich über die Augen, schob das Taschentuch wiederzurück und begann an den Ärmeln ihrer rosafarbenen Angorastrickjacke zu ziehen.
„Was haben Sie in der letzten Nacht genau beobachtet?“
„Das Böse. Ich habe den Gehörnten gesehen.“
Maja Klapproth unterdrückte ein Seufzen.
„Sie haben tatsächlich seine Hörner gesehen?“
„Nein. Seien Sie nicht albern. Selbstverständlich bemühte er sich, sie unter einer Kapuze zu verbergen. Aber ich erkannte die Abdrücke im Stoff. Er parkte unter einer Laterne.“
„Und so konnten Sie gut beobachten, was er auslud?“
„Er hat einige Dinge ins Haus gebracht. Darunter eine Kiste, die wie ein kleiner Sarg aussah. Ich weiß genau, was in diesem Keller vor sich geht!
Weitere Kostenlose Bücher