Steirerblut
gesehen.«
»Aber verkehrt haben Sie mit ihr?«, fragte Sandra nach.
»Das ist doch nicht etwa verboten?«
»Nein«, erwiderte Bergmann. »Wir werden Ihr Alibi überprüfen. Das wär’s fürs Erste«, beendete er die Befragung.
»Was den Korruptionsverdacht gegen Sie betrifft, so rechnen Sie in den nächsten Tagen mit einer Vorladung. Und verständigen Sie besser gleich Ihren Anwalt. Sie werden seine Unterstützung bitter nötig haben«, empfahl Jungwirth und erhob sich. »Ihren PC und die Unterlagen müssen wir vorerst beschlagnahmen«, fügte er hinzu.
Quirini blieb sitzen und blickte zu seinem Schreibtisch, auf dem sich inzwischen die Unterlagen aus seinem Aktenschrank stapelten. Jungwirths Partner öffnete die Tür und winkte den uniformierten Kollegen vom Gang herein, um ihm beim Abtransport der potenziellen Beweisstücke zu helfen. Wenig später verabschiedeten sich die Beamten und ließen Robert Quirini allein in seinem – bis auf die Möbel – fast leer geräumten Büro zurück.
»Musstest du mir vorhin in den Rücken fallen?«, beschwerte sich Sandra bei Bergmann, kaum dass sie im Wagen saßen.
Bergmann überlegte einen Moment lang. »Und womit genau soll ich dir bitte in den Rücken gefallen sein?«, wollte er wissen.
»Du hast dich vor zwei Kollegen und einem Verdächtigen darüber lustig gemacht, dass ich dieses Bordell nicht kenne.«
»Aber, Sandra. Ich hab mich doch nicht darüber lustig gemacht«, widersprach er.
»Sondern?« Diesmal ließ sie nicht locker.
»Müssen wir das denn unbedingt ausdiskutieren?«
»Ja. Das müssen wir.«
Bergmann seufzte und verdrehte genervt die Augen. »Weiber«, murmelte er.
»Jetzt sag schon, Sascha: Was war daran so witzig? Erklär es mir, bitte.«
»Deine Reaktion … sie war irgendwie …«
»Irgendwie was?«
»Na, irgendwie … niedlich.«
»Niedlich? Ich bitte dich. Das war höchstens peinlich. Und noch peinlicher war es, dass du dich schon wieder wichtigmachen musstest … auf meine Kosten«, brauste sie auf.
»Es braucht dir doch nicht peinlich zu sein, dass du dieses Etablissement nicht kennst. Du zählst schließlich nicht zur Zielgruppe.«
»Aber du?«
»Ich?« Bergmann lachte. »Da muss ich dich enttäuschen. Wie sollte ich mir das denn leisten können? Weißt du, was man dort an einem einzigen Abend ablegt?«
»Keine Ahnung.«
»Na, schätz mal.«
»Sascha, bitte …«
»Unter zwei-, dreitausend Euro kommst du dort nicht raus. Minimum.«
Sandra pfiff durch die Zähne und sah zu Bergmann hinüber. »Nicht schlecht. Und was ’aben die, was isch nischt ’abe?«, fragte sie kokett, mit einem französischen Akzent, wie sie es in einer Parfumwerbung im Kino mal gesehen hatte.
Bergmann presste die Lippen aufeinander und wandte sich ab.
»Du darfst an dieser Stelle gerne lachen, wenn du möchtest«, sagte Sandra und stimmte zum zweiten Mal an diesem Tag in Bergmanns Gelächter ein. Beinahe wäre sie bei Rot über die Kreuzung gefahren.
Kapitel 8
Donnerstag, 23. September
Sandras Atem ging noch immer schneller. Eben war sie über Stock und Stein gelaufen. Splitterfasernackt. Bergmann war hinter ihr her gewesen, hatte sie durch den dunklen Wald gehetzt. Bis sie stolperte und fiel. Panisch drehte sie sich um und blickte in das aufgedunsene Antlitz ihrer Mutter, die nun an Saschas Stelle über ihr stand. Mit der ausgestreckten Hand lockte sie die Tochter zu sich, wollte ihr helfen, aufzustehen. Doch Sandra wusste intuitiv, dass sie ihre Hand nicht ergreifen durfte. Sie musste sofort weg von hier, sonst war sie tot. Tot wie die Mutter.
Das Handydisplay zeigte drei Uhr achtunddreißig, als Sandra schweißgebadet aus ihrem Albtraum hochschreckte. Bloß nicht gleich wieder einschlafen und womöglich dort weiterträumen, wo sie eben aufgehört hatte, beschwor sie sich selbst. Sie tastete nach der Nachttischlampe, fand den Schalter, knipste ihn an. Vielleicht würde ein wenig fernsehen helfen, die düsteren Schatten ihres Traumes zu vertreiben.
In der Küche schenkte sie sich ein Glas kaltes Wasser ein, das sie in einem Zug leerte. Dann streckte sie sich auf der Couch aus und deckte sich mit der lindgrünen Kaschmirdecke zu, die ihr Andrea zum Geburtstag geschenkt hatte. Mit der Fernbedienung schaltete Sandra den Fernseher ein. Ob ihr Unterbewusstsein ihr etwas mitteilen wollte, fragte sie sich. Aber was? Sybille, die Esoterikerin, hätte ihre wahre Freude mit der Analyse dieses Traumes gehabt. Für Sandra hatte die
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