Steirerblut
betrifft, so müsst ihr euch noch ein paar Tage länger gedulden. Darum kümmern sich die Kollegen für Computer- und Netzwerkkriminalität im Bundeskriminalamt.«
Bergmann kaute nervös auf seiner Unterlippe. »Sobald du die Daten hast, will ich sie sofort sehen. Persönlich«, sagte er streng.
»Geht in Ordnung, Chef. Ich schicke sie dir dann umgehend per E-Mail.«
Das war das erste Mal, dass Bergmann nach irgendwelchen Daten verlangte, wunderte sich Sandra. Normalerweise überließ er nur allzu gern ihr die Fakten, um das Wesentliche danach von ihr zu erfahren und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Ob er ihr die gestrige Beinahe-Ermittlungspanne im Restaurant ›Steirer‹ doch übel nahm? Unsinn!, widersprach sie sich selbst. Die Analyse des Forensik-Gutachtens hatte er ihr vorhin doch auch überlassen. Bergmanns plötzlicher Übereifer hatte sicher nichts weiter zu bedeuten. Außer vielleicht, dass er sich durch Oliver Reiterer unter Druck gesetzt fühlte, überlegte Sandra. Der BK-Mann hatte ihn gedrängt, möglichst rasch Ermittlungsergebnisse auf den Tisch zu legen. So viel hatte sie dem vormittäglichen Telefongespräch der Männer entnehmen können. Außerdem hatte Reiterer ihm noch ein paar Anweisungen für die Hausdurchsuchung im Grazer Kovacs-Büro mit auf den Weg gegeben. Als ob er nicht selbst wüsste, wie und was er wen zu fragen habe, hatte sich Bergmann über den BK-Schnösel bei Sandra beschwert. Für die wirtschaftskriminalistischen Fragen sei doch ohnehin der Kollege Jungwirth zuständig, der den Einsatz leitete. Und mit ihm hatte Bergmann längst eine Strategie vereinbart. Jungwirths bevorstehende Enttarnung sollte Robert Quirini einen gehörigen Schreck einjagen. Bisher hatte der Grazer Geschäftsführer der Kovacs GmbH den Kriminalbeamten für einen Immobilienmakler gehalten, der anlässlich der Wirtschaftskrise aus den Vereinigten Staaten in seine Heimat zurückgekehrt war und der nun mit ihnen ins Geschäft kommen wollte. Das Überraschungsmoment, wenn Quirini plötzlich begriff, dass er die längste Zeit vom Bundeskriminalamt beschattet worden war, wollten sie für seine Einvernehmung nutzen.
Am Nachmittag verließen zwei Einsatzfahrzeuge und zwei Zivilwagen das Landeskriminalamt im Konvoi und trafen wenig später am Parkplatz der Kovacs Projektentwicklung & Consulting GmbH ein. Zwei uniformierte Polizisten schritten zügig voran, gefolgt von sechs Kriminalbeamten, die von sechs weiteren Kolleginnen und Kollegen in Uniform begleitet wurden. Kaum hatten die Beamten die Halle des zweistöckigen Gebäudes betreten, griff die Empfangsdame zum Telefonhörer, offenbar um ihren Chef zu warnen. Doch Thomas Jungwirth wusste das zu verhindern. Er zückte seinen Dienstausweis, forderte die Frau auf, den Hörer wieder hinzulegen und führte die SOKO-Einsatztruppe an ihr vorbei. Zwei der uniformierten Kollegen blieben zurück, um den Eingangsbereich zu sichern. Niemand sollte hinein- oder hinausgehen, bis sie hier fertig waren. Die SOKO-Truppe breitete sich wie ein Bienenschwarm in alle Richtungen aus und sorgte bei den Mitarbeitern für entsprechende Verwirrung.
Sandra und Bergmann folgten Jungwirth und dessen Partner direkt ins Büro des Geschäftsführers in der zweiten Etage. Einer der uniformierten Kollegen bezog seinen Posten vor der Tür. Als Robert Quirini Jungwirth erkannte, senkte sich zuerst seine Kinnlade, danach seine Hand samt Telefonhörer. Die Überraschung war den Kriminalisten sichtlich gelungen. Jungwirths Gefolgsmann hielt Quirini den Hausdurchsuchungsbefehl unter die Nase, bevor er sich daranmachte, dessen PC und die Unterlagen auf dem Schreibtisch sicherzustellen. Der Rest der Truppe und Quirini selbst nahmen am Besprechungstisch Platz. Es brauchte nicht viele Worte, um dem verblüfften Geschäftsführer die Ausweglosigkeit der Situation vor Augen zu führen. Die einzige Chance auf Strafmilderung liege in einer Kooperation mit den SOKO-Ermittlern und in weiterer Folge mit der Staatsanwaltschaft, räumte Jungwirth ein. Er könne ihm daher nur empfehlen, die Karten auf den Tisch zu legen. Quirini hatte die Contenance inzwischen wiedergefunden und bestand darauf, einen Anwalt hinzuzuziehen. Paul Kovacs hatte seinen Grazer Geschäftsführer vermutlich längst vorgewarnt und einige Beweise verschwinden lassen, dachte Sandra. Dass sie allerdings einem Maulwurf aufgesessen waren, damit hatten die Herrschaften sicher nicht gerechnet. Dabei war Jungwirth nicht der einzige verdeckte
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