Steirerkind
Fakten auf, die gegen den Skirennläufer sprachen.
»Über meinen Mandaten die Untersuchungshaft zu verhängen, halte ich für reichlich überzogen«, wiederholte Doktor Streicher und ratterte einige Paragraphen herunter.
»Angesichts des zu erwartenden Strafausmaßes sehe ich das völlig anders«, konterte Bergmann. »Vergessen Sie bitte nicht, dass die Indizien eine klare Sprache sprechen.«
»Die meinem Mandanten allesamt untergeschoben wurden.«
»Mutmaßung.«
»Aber …«, wollte sich Tobias Autischer zu Wort melden und kassierte damit einen weiteren mahnenden Blick seines Strafverteidigers, der ihn abrupt zum Schweigen brachte.
»Die Fingerabdrücke auf dem Magazin stammen von einem früheren Zeitpunkt«, wiederholte Doktor Streiter die Aussage seines Mandanten. »Herr Autischer hat doch zugegeben, mit der Waffe von Herrn Wintersberger probehalber geschossen zu haben, nachdem dieser sie vor etwa einem Jahr rechtmäßig erworben hatte. Anschließend hat Roman Wintersberger meinem Mandanten das Magazin gereicht, der hat die Waffe geladen und sie wieder zurückgegeben. Daher stammen seine Fingerabdrücke.«
»Heben Sie sich Ihre Argumente besser für den Richter auf«, signalisierte der Chefinspektor dem Strafverteidiger klar und deutlich, dass er sich auf keine weitere Diskussion mit ihm einlassen wollte. Für Bergmann schien die Einvernehmung vorerst abgeschlossen zu sein.
»Könnten Sie mich mit meinem Mandanten eine Weile allein lassen?«, fragte Streiter.
Bergmann sah auf die Uhr.
»Bis 10.30 Uhr sollten Sie sich darüber einig werden, ob Sie ein Geständnis ablegen wollen oder nicht«, meinte er, »um spätestens elf Uhr informiere ich unseren Pressedienst über den aktuellen Stand der Ermittlungen. Und den werden wir dann eine halbe Stunde später den Medien präsentieren.«
Tobias Autischer sah seinen Anwalt ängstlich an und schluckte.
»Das ist doch alles nur ein Alptraum, aus dem ich gleich wieder aufwache«, stöhnte er. »Ich muss zurück zum Training. Immerhin geht es um die Weltmeisterschaft! Dafür hab ich mein Leben lang hart trainiert!« Dass es in allererster Linie um die Aufklärung des Mordes an seinem Zweitvater ging, schien der Skirennläufer noch immer nicht begreifen zu wollen. Erst recht nicht, dass er als Beschuldigter die Konsequenzen zu tragen hatte. Offenbar war sein Fokus so sehr auf die WM gerichtet, dass alles andere zweitrangig war. Von Trauer und Schmerz über den Verlust eines Menschen, der ihm sehr nahe gestanden hatte, war kaum noch etwas zu bemerken.
Sandra fragte sich, was die Kriminalpsychologin Christiane Reichelt zu diesem interessanten Phänomen zu sagen hatte. Ob es einen Fachbegriff für dieses Verhalten gab, das Sandra an ein Rennpferd mit Scheuklappen erinnerte?
»Beruhigen Sie sich bitte, Herr Autischer«, riet ihm sein Anwalt. »Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um Sie möglichst rasch freizubekommen. Konzentrieren Sie sich lieber noch einmal auf die Frage, wer Ihnen die Brieftasche und die Schusswaffe untergeschoben haben könnte und warum«, rückte er die Prioritäten zurecht.
»Ich hab Ihnen doch schon hundert Mal gesagt, dass ich keine Ahnung hab. Vermutlich hat sie der wahre Täter irgendwie in meine Wohnung geschmuggelt. Ich war jedenfalls schon seit Wochen nicht mehr dort. Aber was weiß denn ich? Sie sind doch die Polizei, also finden Sie es gefälligst heraus, verdammt noch mal!« Die Faust des jungen Mannes knallte auf die Tischplatte.
»Wir konnten in Ihrer Wohnung keine einzige Einbruchsspur feststellen«, wiederholte Sandra ruhig.
»Und was ist mit diesen Ersatzschlüsseln, auf die auch jeder Fremde Zugriff gehabt haben könnte?«, warf Streiter ein.
»Nicht einmal Ihr Mandant wusste etwas von diesen Schlüsseln.« Schon wieder drehten sie sich im Kreis, dachte Sandra erschöpft und stoppte die Sprachaufzeichnung, ehe Bergmann und sie den Verhörraum verließen.
»Schon merkwürdig, dass er die Brieftasche und die Waffe bei sich zu Hause verwahrt hat«, meinte Sandra draußen. »Er musste doch damit rechnen, dass zumindest die Brieftasche beim nächsten Bettenüberziehen gefunden werden würde. Und ehrlich gesagt: Die 400 Euro sind in seinem Fall wirklich ein lächerlicher Betrag.«
»Mag sein. Aber mir reicht es, dass er die Gelegenheit hatte, die Brieftasche in seiner Wohnung zu deponieren.«
»Nur in der Nacht von Montag auf Dienstag, nachdem er die 400 Euro gezogen hat. Sonst wäre die Bankomatkarte nicht in der
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