Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me
Trümmersteinen grober Sand gemahlen wurde.
Mit dem Sand wurde zum Beispiel eine behelfsmäßig zusammengezimmerte Fabrik am Lessingplatz beliefert. Einem großen Platz im Stadtteil Oberbilk, auf dem heute ein Spiel- und Bolzplatz sowie ein kleiner Park angelegt sind. Hier wurden neue Dachpfannen hergestellt, wozu der grobe Sand mit einer kleinen Lorenbahn herangeschafft wurde. Dann wurden aus dem Steinmehl in Handarbeit die Dachziegel hergestellt, indem die Arbeiter feuchten Sandbrei in Holzformen drückten. Die Arbeiter waren Kriegsgefangene aus anderen Ländern. Sie wohnten in Holzbaracken, also in primitiven, einstöckigen Bauten mit flachem Dach. Die Männer taten mir leid, weil sie so viel arbeiten mussten. Meine Freunde und ich haben uns oft zu den Baracken geschlichen. Sobald die Aufseher unaufmerksam waren, warfen wir den Männern etwas zu essen durch die Fenster, obwohl wir selbst nicht viel hatten.
© Bundesarchiv - Bild 183-T00286 – Fotograf: Kümpfel
Schwarzmarkt
Nach Kriegsende entstand zwangsläufig aus der Not heraus ein Schwarzmarkt.
Die Geschäfte, soweit nicht zerstört, hatten keine Ware. Man konnte also dort nichts kaufen. Das Geld, sofern man welches hatte, war kaum etwas wert. So entwickelte sich auf den Schwarzmärkten ein reger Handel. Man verkaufte oder tauschte, was man noch gerettet oder irgendwie organisiert hatte, gegen etwas, was man dringend brauchte. Überwiegend wurden von den Käufern Lebensmittel jeglicher Art verlangt.
Diese Geschäfte waren nicht legal, weil der Staat dadurch keine Steuereinnahmen bekam.
Der Schwarzmarkt blühte auf jeden Fall. Man konnte Kaffee, Zigaretten, Kaugummi, Schokolade, belegte Brötchen, eben alles Mögliche bekommen, was das Herz begehrte. Vorausgesetzt, man hatte entsprechende Tauschobjekte oder genug Geld. Die meisten Schwarzhändler standen neben dem Hauptbahnhof, Richtung Graf-Adolf-Straße, und warteten auf Kundschaft. Sobald Polizei in Sicht war, verschwanden die Händler blitzschnell.
Eine amerikanische Zigarette hat eine Zeit lang auf dem Schwarzmarkt fünf Reichsmark gekostet. Eine selbstgedrehte Zigarette von Frau Friesekoten, die auf der Bandelstraße im Parterre wohnte, kostete drei Reichsmark.
Sobald ein Käufer sich unbeobachtet fühlte, klopfte er bei Friesekoten am Fenster. Dann brauchte er nur mit den Fingern zu zeigen, wie viel Zigaretten er kaufen wollte.
Daraufhin wurde die angezeigte Zigarettenmenge unauffällig aus dem Fenster heraus und das Geld hinein gereicht.
Bei Familie Lübking, die Parterre auf der Dreieckstraße wohnte, kostete ein Lot Kaffe acht Reichsmark.
Wir Kinder sammelten Zigarettenkippen. Die Amerikaner haben meistens lange Kippen weggeschmissen, aus denen wir noch viel Tabak rausholen konnten. Aus ungefähr sieben Kippen konnte mein Vater eine Zigarette drehen. Zigaretten waren begehrte Tauschobjekte und mehr wert als Geld.
Trümmerverwertung nach Kinderart
Einige Jungen aus der Nachbarschaft und ich haben in den Trümmern, also in und zwischen den zerstörten Häusern, nach Verwertbarem gesucht. Nach Eisen, Blei, Kupfer und Holz. Wegen der Lebensgefahr in den instabilen Ruinen, war das Betreten strengstens verboten. Es war jedoch nützlich und auf jeden Fall sehr abenteuerlich. Die zimmerlangen Deckenbalken haben wir zur Bandelstraße geschleppt. Zu einem Mann namens Kopatsch. Er hatte auf einem Trümmergrundstück den Schutt zur Seite geräumt und im Hof eine Bandsäge aufgestellt. Die ungefähr vier bis fünf Meter langen Vierkantbalken hat er für uns klein gesägt. Mit einer Karre transportierten wir die klein gesägten Holzklötze bis vor unsere Haustür und hackten sie zu schmalen Stückchen, die wir als Feuerholz verkauften.
Für einen Sack Feuerholz habe ich hundert Reichsmark bekommen. Für zweihundertfünfzig Reichsmark konnte ich ein ganzes Brot auf dem Schwarzmarkt kaufen. Herr Kopatsch hat einen Teil des Holzes behalten, als eine Art Lohn für das Sägen.
Auch andere verwertbare Materialien, die wir fanden oder ausbauen konnten, haben wir aus den Trümmern geholt. Zum Beispiel Heizkörper, Eisenträger, Kupferleitungen, Wasserrohre, Badewannen und Balkongeländer. Immer unter Lebensgefahr, weil wir von herunterstürzenden Decken oder zusammenbrechenden Häusern erschlagen werden konnten. Diese Dinge brachten wir zu Herrn Epping auf die Lessingstraße, einem Schrotthändler, der uns dafür Bargeld auszahlte.
Desweiteren auch noch erhaltene Mauersteine. Diese befreiten wir noch am
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