Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me
Nachmittag mit einem Zug Richtung Südost losgefahren.
Doch leider sind wir nur bis Wuppertal gekommen. Der Zug stoppte und fuhr einfach nicht mehr weiter. Die Nacht haben wir im Zug verbracht.
Die meisten Gleisstrecken waren zerstört. Deshalb mussten die Züge ständig umgeleitet werden und konnten nur so fahren, wie es angewiesen wurde. Auf diese Art und Weise, und weil wir nicht auffallen durften und uns zwischendurch verstecken mussten, brauchten wir fünf Tage bis nach Schweinfurt.
Endlich in Schweinfurt angekommen, mussten wir weiterhin sehr wachsam sein, um nicht entdeckt zu werden. Immerhin hatten wir uns mehr als hundert Kilometer vom Wohnort entfernt.
Unsere Nachbarin wollte sich irgendwo verstecken, um die Dunkelheit abzuwarten und dann erst weiter zu reisen.
Ich wollte nun auf eigene Faust den Weg fortsetzen. Höflich bedankte ich mich, sie wünschte mir viel Glück und unsere Wege trennten sich.
Zügig und mich unauffällig umschauend, verließ ich den Bahnsteig mit der Nummer fünf. In großen Kreisen bin ich geduckt über die Schienen und von Bahnsteig zu Bahnsteig gelaufen. Immer auf der Hut, nicht erwischt zu werden. In der Dämmerung wagte ich es auf die nahe Straße zu gehen, die mich zu dem ungefähr achtzehn Kilometer entfernten Dorf bringen sollte, in dem mein Bruder nun wohnte. Den Namen des Ortes weiß ich jetzt nicht mehr. Ich lief los, mit meinem Köfferchen in der Hand, in dem ich noch ein kleines Stück Brot verwahrte.
Irgendwann kam ich in ein Dorf. In einem der wenigen Häuer brannte noch Licht. Ich klopfte an die Haustür in der Hoffnung, dass ich dort etwas zu essen bekomme. Eine Frau schaute aus dem Fenster und fragte erstaunt: „Wer bist du denn, und was machst du hier?“
Ich sagte höflich: „Ich muss zu meinem Bruder.“
Die Frau entsetzt: „Aber doch nicht jetzt, mitten in der Nacht.“
„Doch, ich muss weiter. Darf ich vielleicht etwas zu essen bekommen?“.
Die freundliche Frau öffnete mir die Tür und ich schlüpfte in das behagliche Häuschen.
Ich durfte mich an den Küchentisch setzen und sie machte sich am Herd zu schaffen. Ihr Mann saß schläfrig in einem Sessel. Die sympathische Frau briet mir in Scheiben geschnittene Knödel vom Mittagessen.
Ihr Mann fragte mich: „Junge, wo kommst du denn her?“
Ich antwortete lebhaft: „Ich komme aus Düsseldorf und muss zu meinem Bruder.“
Ungläubig riss der Mann die Augen auf und wurde schlagartig hellwach:
„Du kommst aus Düsseldorf? Wie bist du hierher gekommen und wie lange hast du dafür gebraucht?“
Während ich die leckeren gebratenen Knödel aß, erzählte ich, wie ich es geschafft hatte, von Düsseldorf bis zu diesem Dorf zu kommen, von meiner Kinderlandverschickung im Erzgebirge und ausführlich über die Bombenangriffe auf Düsseldorf und wie wir ausgebombt wurden. Dann wollte er noch wissen, was ich in den letzten fünf Tagen gegessen hatte.
Ich sagte: „Meine Mutter hat mir ein Brot mitgegeben. Davon habe ich jeden Tag ein kleines Stück gegessen. Nun habe ich nur noch wenig davon übrig.“
Später am Abend hat mir die nette Frau eine Schlafstelle vorbereitet und ich durfte dort die Nacht verbringen. Das hat gut getan. Mit vollem Magen in einem gemütlichen und sicheren Bett zu liegen. So gut hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen.
Am nächsten Morgen wurde ich gegen sieben Uhr geweckt, wie ich darum gebeten hatte. Schließlich wollte ich meinen Bruder so schnell wie möglich finden. Die freundliche Frau bereitete mir ein leckeres, reichhaltiges Frühstück und gab mir für unterwegs Proviant mit.
Ich bedankte mich artig und verabschiedete mich. Nun war ich also wieder auf der Straße und marschierte in Richtung des Dorfes, wo mein Bruder wahrscheinlich zu finden war.
Ich durchlief mehrere Dörfer, die alle wohlbehalten waren und nie von einer Bombe getroffen worden sind.
Nach geraumer Zeit tauchte in der Ferne ein Hügel auf und über dem Hügel hinweg war eine Kirchturmspitze zu sehen.
Das musste, nach der Erklärung des freundlichen Ehepaars, bei dem ich übernachtete, das Dorf sein, in dem mein Bruder auf einem Bauernhof leben sollte.
Nachdem ich auf dem Gipfel des Hügels angekommen bin, sah ich nicht nur den Kirchturm und die dazugehörige Kirche, sondern etwas weiter davon einen Jungen an einem Holzbock stehen, der Holz hackte.
Vor Aufregung blieb mir fast das Herz stehen. Von den Umrissen der Statur her konnte es nur mein Bruder sein. Das Bild habe ich heute noch vor
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