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Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Titel: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gutkin
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Schrank.
    Nachdem er sich ausgiebig in den Haaren kratzte, fiel mir auf, dass sein Kopf voller Läuse war.
    Zur anderen Seite des Flures befand sich die Wohnstube.
    Mein Bruder sagte verschmitzt: „Komm mit zum Opa. Den musst du unbedingt kennenlernen.“
    Die Tür zur Wohnstube stand offen. Wir betraten das Zimmer, in dem ein uralter Mann nach hinten gemütlich angelehnt auf einem verschlissenen Holzstuhl saß.
    Vor sich ein tellergroßes Loch im Holzboden. Unaufhörlich kaute er an einem Stück Hanewacker Kautabak, das sich in seiner gewölbten Wangentasche befand.
    Die kleine Blechdose Firma Hanewacker lag auf dem kleinen Tisch, der neben ihm stand.
    Ich sagte höflich: „Guten Tag. Ich bin Peter, der Bruder von Karl.“
    Er grinste mich an und ich blickte auf die schwärzesten Zähne, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.
    Nach einer undeutlich gemurmelten Begrüßung beugte der alte Mann sich nach vorne und rotzte die vom Kautabak schwarze Spucke durch das tellergroße Loch im Boden hinunter zum Kuhstall, der sich offensichtlich unter der Wohnstube befand.
    Ich war fassungslos. Wahrscheinlich guckte ich wie ein Auto. Mein Bruder stupste mich grinsend an und wir verabschiedeten uns schnell wieder.
    Karl führte mich zu einigen Nachbarhöfen, um mir die Gegend zu zeigen. Anschließend gingen wir zum Main und setzten uns ans Ufer. Wir erzählten noch lange, wie es uns inzwischen ergangen ist und merkten kaum, wie die Zeit verging. Da ich zum Abendessen zu Hause sein musste, verabschiedeten wir uns bald. Ich versprach meinem Bruder, dafür zu sorgen, dass er zu einer anderen Pflegefamilie kommt, die sich besser um ihn kümmert.
    Ich hatte den Eindruck bekommen, dass Karl nicht so sehr unter Heimweh litt. Irgendwie fügte er sich seinem Schicksal und empfand seine Verwahrlosung als nicht so unangenehm wie ich.
    Als ich zurück in Kitzingen war, habe ich meiner Pflegemutter erzählt, wie verwahrlost mein Bruder war. Verzweifelt bat ich sie, dafür zu sorgen, dass man für meinen Bruder eine andere Pflegefamilie sucht. Meine Eltern hatten mich schließlich gebeten, auf meinen Bruder aufzupassen.
    Frau Friedlein erreichte dann tatsächlich ziemlich schnell, dass mein Bruder umziehen durfte. Sein neues Zuhause war wieder ein Bauernhof. Frau Reinlein, deren Mann als Soldat diente, bewirtschaftete den kleinen Hof ebenfalls in Dettelbach zusammen mit einem Knecht. Kinder hatte die Familie nicht. Vielleicht war das auch ein Grund, warum mein Bruder sehr verwöhnt wurde. Die freundliche Frau hielt ihr Haus und Karl sauber, außerdem gab es genug zu essen.
    Meinen wegen der Läuse kahl geschoren Bruder und Frau Reinlein habe ich gerne und oft besucht. Über eine wunderschöne Straße wanderte ich bis Dettelbach. Auf der einen Seite die hohen Weinberge und auf der anderen Seite floss der Main ruhig dahin. Bei diesem Anblick konnte ich fast vergessen, warum ich überhaupt hier sein musste und nicht mit meiner Familie in Düsseldorf zusammenleben konnte.

Mein Bruder auf der Eisscholle
    Der Winter war so streng, dass sich auf dem Main eine dicke Eisschicht bildete. Große Stücke der Eisfläche trieben als Schollen mit der Strömung des Flusses.
    Eines Mittags, als Rich und ich vom Gymnasium nach Hause kamen, sprach mich Frau Friedlein an: „Schau mal Peter, in der Zeitung wirdüber einen Jungen berichtet, der in Dettelbach evakuiert ist. Ist damit vielleicht dein Bruder gemeint?“
    Ich las den Bericht, der ungefähr so lautete:
    Dettelbach: Ein evakuierter Junge, aus einem fliegergeschädigten Gebiet aus dem Rheinland, spielte am gestrigen Tag am Main. Die Gefahr missachtend, sprang er auf eine große Eisscholle. Diese entfernte sich mit dem Jungen vom Ufer. Anwohner bemerkten den Jungen, auf der inzwischen in der Mitte des Mains treibenden Scholle und riefen die Feuerwehr und die Polizei. Nach ca. zwölf Kilometern fischte man den Nichtschwimmer aus dem Main und brachte ihn zu seiner Pflegefamilie.
    Schon bald darauf traf ich meinen Bruder.
    Gespannt fragte ich ihn sofort: „Bist du das gewesen, der Junge aus dem Rheinland, der auf der Eisscholle über den Main getrieben ist?“
    „Ja“, hat er grinsend gesagt. „Die Feuerwehr und die Polizei haben viel Arbeit gehabt, mich wieder an Land zu kriegen. Die haben mit Haken und allem Möglichen nach der Eisscholle gefischt.“
    Leicht vorwurfsvoll fragte ich: „Warum bist du überhaupt auf das Eis gesprungen? Außerdem kannst du doch gar nicht schwimmen.“
    Karl,

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