Stella Blomkvist
Rós hat Bücher, Zeitungen und Berichte wieder
sorgfältig in die Regale sortiert und den Schreibtisch am Fenster aufgeräumt.
Ich setze mich an den Tisch und
rüttele an einer Schublade nach der nächsten.
Alle sind abgeschlossen.
Schaue auf den dunklen Bildschirm
des Computers. Vielleicht verbirgt er ein Geheimnis? Beuge mich zum Knopf,
mache den Computer an, öffne das Schreibprogramm und gucke über eine lange
Liste mit Files auf der Festplatte. Alles scheint auf eine oder andere Weise
mit Politik zu tun zu haben.
Ich öffne aufs Geratewohl eine
Datei. Es ist ein Bericht über ein Treffen, das der Parteivorsitzende mit Vertretern
seines Wahlkreises hatte.
Öffne eine andere Datei. Auch nach
dem Zufallsprinzip. Notizen von einem Treffen, das der Premierminister mit
seinem norwegischen Kollegen hatte.
Nichts Interessantes.
Schließlich fahre ich den Computer
wieder runter, schließe die Tür zum Arbeitszimmer und werfe einen Blick in das
Schlafzimmer. Dieses rosane Etwas ist so unwirklich wie eine Bühne.
Ich setze mich auf das weiche Bett.
Gucke mich selber im Spiegel an.
War
irgendwas hinter diesen Spiegeln?
Ich stehe auf, gehe zu den Spiegeln.
Fahre mit den Fingern vorsichtig an den Rändern entlang. Drücke sie an.
Versuche, sie zu bewegen. Sie abzumachen. Sie zur Seite zu schieben.
Nichts ist von Erfolg gekrönt. Es
bewegt sich nichts. Natürlich nicht! So was passiert doch nur in Krimis!
23
»Komm sofort her!«
Raggi wartet meine Antwort nicht ab,
sondern knallt den Hörer auf die Gabel.
Mann, macht der ein Megastress!
Da muss ja eine Bombe eingeschlagen
haben! Bin gespannt, was passiert ist. Zehn Tage sind seit dem Mord in der
Staatskanzlei vergangen, und die Kältewelle ist endlich vorbei. Kurz vor dem
Wochenende hatte es aufgehört zu schneien. Da haben die Räumfahrzeuge angefangen,
sich damit abzumühen, die Straßen freizukriegen.
Die Goldjungs waren am Wochenende
auf die Snaefellsnes-Halbinsel gefahren. Und jetzt hatten sie schlechte
Laune. Irgendwas war anders gelaufen, als sie sich das vorgestellt hatten. Und
das konnten sie überhaupt nicht vertragen, diese Herzchen.
Raggi nimmt mich gleich zur Seite,
als ich die Abteilung der Kripo betrete. Zieht mich
in sein Büro. Er ist nur im Hemd. Mieft nach Schweiß und Mundgeruch. »Wir
müssen Saemi laufen lassen«, sagt er.
Daher weht also der Wind!
»Er hat dann also die Wahrheit
gesagt?«, frage ich.
»Wir haben diesen Benzinjungen
ausfindig gemacht. Er hat Saemi in einer Gegenüberstellung aus einer Gruppe
Leute herausgepickt.«
»Und?«
»Der Junge gibt an, dass er bei ihm
am späten Abend des Mordtages getankt hat. Die anderen Bewohner haben Saemi
nicht gesehen, behaupten aber, dass der Junge zur fraglichen Uhrzeit
rausgeschickt wurde, um einem Autofahrer Benzin zu verkaufen.«
»Was also bestätigt, dass Saemi
überhaupt nicht in der Stadt war, als der Mord begangen wurde? Er hat ja immer
auf seiner Version beharrt.«
»Es sieht tatsächlich so aus, als
würde sie stimmen.«
»Bist du nicht sicher?«
»Ich war die ganze Zeit überzeugt
davon, dass Saemi schuldig ist. Aber die Zeugen sind sich hundertprozentig
sicher. Ihre Aussagen stimmen überein, was den Zeitpunkt und das Programm im
Fernsehen angeht, als Saemi sich bemerkbar gemacht hatte. Und dann hat der
Junge ihn bei der Gegenüberstellung wiedererkannt.«
»Dann scheint der Fall ja erledigt
zu sein?«
»Es ist jedenfalls klar, dass Saemi
nicht in der kurzen Zeit nach der Tat den ganzen Weg in den Westen gefahren
sein kann«, sagt er und fährt sich über die Wampe. Plötzlich fliegt die Tür auf
und der Vizepolizeipräsident steht mit wütendem Gesicht in der Tür.
»Was zum Teufel machst du hier,
Ragnar?«, brüllt
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