Stella Blomkvist
Männer in den Fall verwickelt? War
der Grund des Mordes vielleicht doch politisch und nicht persönlich, wie von
den Ermittlern zuerst behauptet wurde?
In den ersten Tagen, nachdem Saemi
freigelassen wurde, trauen sich die Massenmedien nur andeutungsweise, diese
sich aufdrängenden Fragen anzusprechen. Aber die Klatschgeschichten verbreiten
sich in Windeseile im Land. Bald scheinen alle alles über alle in der
Staatskanzlei zu wissen. Besonders die Privatsachen. Wer mit wem schläft. Wer
Alki oder Homo ist.
Aber der
Mörder?
Viele Namen fallen überall da, wo
Leute zusammenkommen; an Arbeitsplätzen, in Nähclubs, in Kantinen und auf
Cocktailpartys. Auch Namen von Leuten in höchsten Ämtern. Aber natürlich weiß
niemand etwas Genaues.
Und die
Goldjungs?
Sie warten.
Auf was? Vielleicht auf ein neues
deutsches Wunder? Wie vor ein paar Jahren, bei dem langwierigen Fall, bei dem
die hiesige Kripo nicht weiterkam? Da kam ein deutscher Kriminalkommissar, der
den Goldjungs im Handumdrehen die Lösung des Falles präsentieren konnte.
Mit Raggi ist nicht gut reden. Er
flucht jedes Mal aus tiefster Seele, wenn ich ihn am Telefon erwische.
»Warum zum Teufel hängst du dich
noch in den Fall rein? Der geht dich doch nichts mehr an«, sagt er.
»Wie du weißt, bin ich halt so
verdammt neugierig.«
»Dann befriedige deine Neugier
anderswo! Lass mich bloß in Ruhe!« Dann kickt er mich aus der Leitung.
Natürlich hat Raggi Recht. Der Fall
geht mich nichts mehr an. Mein Mann wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.
Ich bin auch wieder frei. Kann mich wieder um meine Dinge kümmern. Krönchen
kassieren und das Leben genießen.
Da ist nur die Scheiß-Kälte. Es hat
zwar aufgehört zu schneien, aber dafür friert es nun gehörig. Unerträgliche
Kältewellen jeden Tag.
Zu guter Letzt halte ich es nicht
mehr aus. Scheiß auf die Kälte, den Mord und die Gerüchte. Buche mir einen Flug
nach Florida und eine Ferienwohnung. Mache, dass ich zum Flughafen komme. Will
nur weg. Weit weg. Dahin, wo Sonne, Meer und die braun gebrannten Kerle sind.
Sommer
1
Ich leere die kleine Flasche in ein
bauchiges Glas und schaue dem Flüssiggold einen Moment beim sanften Schaukeln in seinem Aquarium zu.
Dann schließe ich die Augen, genehmige mir einen großen Schluck und lasse den
starken Alkohol Zunge und Hals ausbrennen, bis mir Glückstränen in die Augen
steigen.
Hmmm! Traumhaftes Gefühl!
»Good?«
Wir sind auf dreiunddreißigtausend
Fuß Höhe. Der Typ neben mir hat sofort Laptop und Filofax auf seinem Tisch
ausgebreitet und sich auf sein Business gestürzt. Er will bestimmt nur nett
sein.
Ich fliege gerade von Florida nach
Hause, wo ich meinen Urlaub verbracht habe. Fünf Wochen im Paradies! Davon
dreißig Tage mit Juan. Und dreißig Nächte.
Juan! Juan! Er war durchtrainiert
und groß. My Black Beauty. Der wusste mit seinem besten Stück umzugehen!
Ahhh!
Langsam, langsam, keine feuchten
Träume über den Wolken! Versuch auch, nett zu sein, Stella!
»Yes, very good«, antworte ich und
lächele freundlich. Fünf Wochen, in denen ich an kein anderes Eis zu denken brauchte als an das, was den
Jackie in der Hitze Floridas kühl hält. Muss mich nicht um Schuldner kümmern.
Und erst recht nicht um die Ganoven auf unserer Eisscholle. Es hätte nicht
besser sein können.
»Isländische Zeitungen?«
Ich nehme das Morgunbladid aus der
ausgestreckten Hand der Stewardess entgegen. Auf der Rückseite springt mir eine
Schlagzeile in die Augen:
MORD IN DER STAATSKANZLEI:
Zum zweiten Mal in Hallas Wohnung
eingebrochen
Es ist also noch einmal in das rote Reihenhaus
eingebrochen worden. Der Einbrecher hatte die Wohnung wie beim letzten Mal
durchwühlt hinterlassen.
Arme Lilja Rós. Nun muss sie schon
wieder alles
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