Stella Blomkvist
Testament?«
»Ja, weißt du etwas davon?«
»Halla hat das nie erwähnt.«
»Bist du ganz sicher?«
Sie nickt und schaut weg.
»Du hast also kein Testament
gefunden, als du hier aufgeräumt hast?«, frage ich erneut.
»Nein. Aber ich habe auch nicht
danach gesucht.«
»Das wird sich schon noch
herausstellen. Wenn sie kein Testament gemacht hat, werden
einige entfernte Verwandte erben.«
»Meinst du das Haus? Ich habe noch
nie darüber nachgedacht.«
»Glaubst du, dass sie wichtige
private Unterlagen anderswo als hier im Haus untergebracht
hat?«
»Ich weiß nicht. Aber sie hatte
natürlich ein Bankschließfach.«
»Ein Bankschließfach? Wo?«
»In der Landsbanki.«
»Was du nicht sagst! Weißt du, wo
der Schlüssel zu dem Fach ist?«
»Halla hatte alle Schlüssel an einem
Bund.«
»Dann haben sie den Schlüssel.«
»Wer sie?«
»Die Goldjungs.«
»Wie?«
»Die Kripo.«
Ein Bankschließfach! Vielleicht
wartet da die Lösung auf uns? Die blaue Tasche? Es gibt
nur einen Weg, um das rauszukriegen.
Ich gehe in den Flur und rufe Raggi
an. Erkläre ihm die Lage. Er lacht mich nur aus. Sie
haben schon alles über das Bankschließfach gewusst!
»Wir sind direkt nach dem Wochenende
mit dem Nachlassverwalter in die Landsbanki
gegangen und haben das Fach ausgeräumt«, sagt
Raggi.
»Und?«
»Und was?«
»Was war im Fach?«
»Das geht dich überhaupt nichts an.«
»Ach ja? Aber vielleicht geht es ja
Lilja Rós etwas an?«
»Misch dich nicht in ihre
Angelegenheiten ein.«
Ich grinse zufrieden: »Herzchen! Ich
frage ja gerade in ihrem Namen!«
»Das glaube ich nicht!«
»Nein? Willst du dann nicht mal mit
ihr reden?«
Raggi bleiben die Worte im Hals
stecken.
»Er will mit dir sprechen«, sage ich
und reiche Lilja Rós den Hörer. Sie nimmt das Telefon
und hört zu. Sagt ab und zu »ja« und verdreht die
Augen zu mir hin. Gibt mir dann wieder den Hörer.
»Wie machst du das eigentlich?«,
fragt Raggi.
»Was?«
»Dich auf diese Art bei ehrlichen
Leuten einzuschleichen?«
»Soll das ein Lob sein, Herzchen?«
»Ich habe sie auf den
Nachlassverwalter verwiesen«, fährt er
fort. »Da erfährt sie das, was sie wissen muss.«
»Bah, bist du gemein!«
»Das gehört
zum Job, Stella.«
Einen Tag später fahre ich mit Lilja
Rós zum Nachlassverwalter. Er ist ein junger Mann, frisch von der Uni. Sanft
wie ein schüchterner Teenager.
»Das, was für Lilja Rós am
wichtigsten ist, ist dieses Testament, das Anfang der Woche im Bankschließfach
der Landsbanki gefunden wurde«, sagt er. »Dem zu Folge ist sie dem Gesetz nach
die Alleinerbin der Verstorbenen.«
Ich strecke meinen Arm aus: »Darf
ich mal sehen?«
Das Testament ist einfach und kurz:
Lilja Rós bekommt nicht nur das Haus, sondern auch alles andere Eigentum,
darunter Sparbücher und einen ganzen Haufen Staatsschuldverschreibungen.
»Auf welche
Höhe beläuft sich das Eigentum?«
»Ich habe noch keine Zeit gehabt,
das genau auszurechnen. Aber mir scheint, dass es so einige Millionen
ausmacht.«
»Einige
Millionen?«, fragt Lilja Rós.
»Die
Verstorbene war ersichtlich gut betucht.«
Der Junge erklärt Lilja Rós, wie es
in der Sache weitergeht. Er müsse erst eine Anzeige im Gesetzesblatt veröffentlichen,
und in einer dreimonatigen Frist auf Meldungen von Leuten warten, die Anspruch
auf den Nachlass erheben. Danach könne das Testament vollstreckt werden.
Ich fahre
Lilja Rós nach Hause.
»Ich wusste gar nicht, dass Halla so
reich war«, sagt sie und wirkt total platt.
»Was glaubst du, an was sie so viel
verdient hat?«
»Ich hab wirklich keine Ahnung.«
Sie ist von Stress und
Schlaflosigkeit der letzten Nächte total ausgelaugt, legt sich aufs Sofa und
schläft sofort ein.
Genau der richtige Moment, um mich
in der Wohnung umzusehen.
In Hallas Arbeitszimmer steht alles
wieder in Reih und Glied. Lilja
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