Stella Blomkvist
Dossiers über Haukur und Sigvaldi
liest. Verzieht keine Miene, die mir zu erkennen geben könnte, was er denkt.
Ein Profi.
Kurz, nachdem Halla angefangen
hatte, bei der Partei zu arbeiten, begann sie mit dem Sammeln von Informationen,
die sie in Dossiers über die beiden zusammenstellte. Haukur war zu der Zeit
Abteilungsleiter im Büro und Sigvaldi eine Art Laufbursche mit besonderen Befugnissen
für die Partei und den Vorsitzenden.
In Haukurs Dossier ging es zuerst
nur um harmlose Gerüchte über innerparteiliche Streitigkeiten. Sie handelten unter anderem davon, wie
Haukur namentlich erwähnten Freunden und Mitstreitern innerhalb der Partei zu
besseren Posten verhalf, aber denen, die beim Vorsitzenden keine Gnade gefunden
hatten, den Weg verbaute. Er sprach mit Schlüsselfiguren. Flüsterte in die richtigen
Ohren. Halla nannte dieses Bündnis »Die gute alte Ränkeschmiede«.
Haukur diente dem Vorsitzenden mit
größter Ergebenheit. Ein wahrer Stiefelknecht. Aber war trotzdem manchmal
verärgert. In Gesprächen mit Halla hatte er so manches Mal Dampf abgelassen,
wie undankbar der Vorsitzende sei. Und dass es Probleme wegen seiner
Frauengeschichten gebe.
Später wurde es richtig ernst.
Sigvaldi und Haukur hatten mit einigen Geschäftsmännern Vereinbarungen über
finanzielle Unterstützung der Partei und des Vorsitzenden getroffen. Halla
hatte herausgefunden, dass in manchen Fällen Prozente in ihre eigenen Taschen
flossen.
Nach einem feuchten
Thorláksmessuabend flossen die Prozente auch in Hallas Tasche: Haukur hatte
einen Jungen zu sich ins Büro geschmuggelt. Halla erwischte sie, wie sie sich
auf allen vieren einen runterholten. Machte auch noch einen Schnappschuss von
der Herrlichkeit.
Aus den Tagebüchern geht allerdings
hervor, dass Sigvaldi den Umständen nachgeholfen hatte. Er hatte den
minderjährigen Jungen besorgt. Und die Kamera auch.
Halla und Sigvaldi hatten
offenkundig während ihrer ersten Jahren bei der Partei oft gemeinsame Sache gemacht. Waren gleichzeitig Verbündete
und Rivalen. Das, was sie über Sigvaldi schrieb, war irgendwie nicht so direkt
wie ihre Beschreibungen der politischen Kollegen. Irgendwas schien sie
zurückgehalten zu haben, wenn es um ihn ging, sogar in diesen geheimen
Tagebüchern.
Die Kampfszenen im rosanen
Schlafzimmer, um die sich die nicht auszurottenden Gerüchte spinnen, fanden
viel später statt, als Haukur der Assistent des Vorsitzenden geworden war und
Sigvaldi einen eigenen Laden aufgemacht hatte und den netten Kosenamen PornoValdi
bekommen hatte.
Halla hatte bei sich zu Hause Partys
für geschlossene Gesellschaften gehalten, die sowohl feucht als auch gedopt
waren. Haukur hatte zu tief ins Glas geguckt und zu viel gekokst und war so
schlimm verwirrt, unruhig und aufgeregt, dass Halla ihn für eine Weile im
Schlafzimmer geparkt hatte, damit er sich beruhigen konnte.
Aber als sie eine Stunde später
wieder hereinkam, traf sie ein blutiges Schlachtfeld an. Ein junges Mädchen lag
bewusstlos auf dem Boden, furchtbar zugerichtet nach einer schlimmen
Misshandlung. Haukur lag schlafend auf dem Boden neben dem Mädchen, mit blutverschmierten
Händen und Schuhen.
Sigvaldi kam Halla zur Hilfe. Er
fuhr mit einem seiner Mitarbeiter und dem Mädchen zur Ambulanz. Er gab vor, sie
bei einem nächtlichen Spaziergang in der Innenstadt gefunden zu haben. Haukur
kam davon. Allerdings hatte Sigvaldi ihn natürlich seitdem in der Tasche. Was
er in den nächsten Jahren auch verschwenderisch ausnutzte.
Halla behauptete aber, dass Sigvaldi
weitaus mehr zu den
Weitere Kostenlose Bücher