Stella Blomkvist
seine Bibliothek, schließt die Tür, bietet mir
einen Platz an, setzt sich selber in den großen Sessel und guckt mich
unentschlossen an.
»Ich muss gestehen, dass mich dein
Besuch völlig überrascht«, sagt er. »Ich hätte, um ehrlich zu sein, nicht
gedacht, dass wir uns noch einmal Wiedersehen.«
Er verstummt. Wartet ab. Ist auf der
Hut.
Jetzt bin ich dran. »Als wir letztes
Mal miteinander gesprochen haben, ging es dir hauptsächlich um Korruption
innerhalb der Partei«, sage ich.
»Ja,
genau.«
»Willst du
was in der Sache unternehmen?«
»Zum
Beispiel?«
»Aufräumen.
Leute austauschen.«
»Warum fragst du mich ausgerechnet
jetzt danach?«
»Ich muss wissen, ob du bereit bist,
die Sache in Angriff zu nehmen, wenn du die richtigen Informationen bekommst.«
»Ach so.« Gunnleifur lehnt sich über
den Tisch. »Die richtigen Informationen, sagst du.«
»Wie lautet
die Antwort?«
»Das hängt natürlich davon ab, wie
gehaltvoll die Hinweise sind«, sagt er. »Wenn ich Beweismaterial gegen
bestimmte Männer in die Hände bekommen würde – Beweise über Machenschaften, die
sich nicht mit den Tätigkeiten eines Parteivorsitzenden vereinbaren lassen –
dann würde ich umgehend zur Tat schreiten. Aber natürlich zuerst innerhalb der
Partei.«
»Nehmen wir an, es gäbe Dokumente
über schwere Vergehen einiger Mitarbeiter, die dem Parteivorsitzenden nahe
stehen. Was würdest du damit machen?«
»Gegen wen richten sich die
Anschuldigungen?«
»Ist das wichtig?«
Er antwortet mit einer Gegenfrage:
»Von wem stammen diese Dokumente?«
»Nehmen wir an, Halla hat
entsprechende Unterlagen erstellt.«
»Halla?« Gunnleifur kann seine
Aufregung nicht länger verbergen. »Hast du ihre Unterlagen gefunden? Die blaue
Tasche?«
»Vielleicht.«
»Das sind ja wirklich unerwartete
Neuigkeiten!«, ruft er und reibt sich die Hände. »Ich wusste gar nicht, dass du
immer noch an diesem Fall arbeitest.«
»Die Wege des Daseins sind
unerforschbar oder so ähnlich.«
»Was hast du also in der Hand?«
»Ich kann dir Dossiers über zwei
Freunde geben.«
»Zwei Freunde?«
»Sigvaldi und Haukur.«
»Haukur. Aha.«
»Wenn du versprichst, auf die beiden
Druck auszuüben.«
»Druck?
Warum?«
»Ich habe
meine Gründe.«
»Ach ja?«
»Sigvaldi schikaniert mich. Es wird
Zeit, ihm endlich mal Manieren beizubringen. Und Haukur ist ein Krimineller.«
»Ja, genau. Ich verstehe dich gut.
Diese Dossiers – hast du sie dabei?«
»Ja.«
»Darf ich
sie mal ansehen?«
»Deswegen
bin ich hier.«
Ich lege meine Dokumentenmappe auf
den Schreibtisch, öffne sie, nehme einen großen braunen Umschlag heraus und
gebe ihn Gunnleifur. Er zieht die Papiere aus dem Umschlag: Eine Kopie der
Dossiers über Haukur und Sigvaldi.
Gunnleifur liest gierig eine Seite
nach der anderen und sagt manchmal »ja« oder »genau« zu sich selbst. Vergisst
mich eine Weile völlig.
»Bemerkenswerte Unterlagen«, sagt er
schließlich, sortiert die Seiten, legt sie ordentlich zusammen und auf den
braunen Umschlag. »Zweifellos sehr bemerkenswerte Unterlagen.«
»Reicht
das?«
»Es sieht
gut aus.«
»Alle beide
sind natürlich Kriminelle.«
»Ja, genau. Eins wollte ich noch
fragen: Hier steht etwas von Videos, auf denen besagte Szenen zu sehen sind.«
»Bisher sind sie noch nicht gefunden
worden.«
»Ach nein? Nicht?«
»Ich bin noch auf der Suche.«
»Ah ja.«
Gunnleifur steckt die Seiten wieder
in den Umschlag zurück. »Sag mal, hat Halla nicht
noch mehr solcher Dossiers über andere Leute
geschrieben?«
»Ich denke schon. Sie hat viel
geschrieben.«
»Hast du auch Papiere über andere?«
»Vielleicht.«
»Ah ja.«
»Sie hat Dossiers über alle
möglichen Leute erstellt.
Auch über dich.«
Er verzieht keine
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