Stella Blomkvist
Miene. »Ich habe
nichts zu befürchten«, sagt er ruhig.
»Ansonsten wäre ich auch nicht
hier«, antworte ich.
»Was aber nicht heißt, dass du ein
Engel wärst.«
»Ach nein? Nicht?«
»Ich habe jedenfalls keine
Informationen, dass du ein Krimineller bist.«
»Aha.« Er zögert kurz, fragt aber
dann doch: »Sie hat doch mit Sicherheit einiges über den
Vorsitzenden geschrieben?«
»Das ist ziemlich wahrscheinlich.«
»Dieses Dossier wäre sehr nützlich.«
»Das hier war die erste Ration«,
sage ich und stehe auf. »Vielleicht bekommst du später
einen zweiten und größeren Happen. Das hängt davon ab,
was du mit diesem machst.«
»Ach ja?«
Ich muss ihn einfach ein bisschen
aufziehen: »Ja, genau.«
Er lächelt. Völlig unerwartet. Sieh
mal an. Der Kerl ist also doch nicht ganz humorlos.
»Ich finde schon raus«, sage ich
kurz angebunden, schließe meine Mappe und marschiere hinaus. Ich bin schon auf
dem Flur, bevor er überhaupt Zeit findet, aufzustehen. Ich verlasse eilig das
Haus und knalle die Tür hinter mir zu.
Aaaah!
Es geht mir so unglaublich gut, als
ich die frische Morgenluft vor der Türe tief einatme. Keine Chance geben.
Diesen Typen zeigen, wo’s langgeht. Das ist der Trick.
»Macht ist das beste Rauschmittel.«
Sagt Mama.
20
Ich nehme eine Flasche Jackie mit zum
Abendessen zu Lilja Rós. Weiß aus Erfahrung, dass in Hallas Bar nur Wodka, Gin
und Scotch zu finden sind.
Sie hat sich zurechtgemacht. Das
helle Haar hochgesteckt. Sich geschminkt. Ihr neues, hellblaues Sommerkleid
angezogen.
Es gibt typisch isländische Küche:
Lammkeule mit karamellisierten Kartoffeln. Mit Sicherheit tausend Kalorien in
jedem Bissen! Der Rotwein war gerade mal genießbar. Kalifornischer Burgunder
für arme Leute.
Ich habe Lust auf meinen Jackie,
lange bevor wir mit dem Essen fertig sind. Aber ich reiße mich zusammen. Der
Abend ist noch lang und die Flasche schnell leer.
Nach dem Essen gehen wir rüber ins
Wohnzimmer und setzen uns auf das weiche Sofa. Ich verlange, dass sie Jack auf
zivilisierte Art trinkt, nämlich pur. Sie protestiert, gibt aber schließlich
doch nach und trinkt ein Glas. Und dann noch eins. Wird offener. Ihre
Wachsamkeit lässt nach.
Natürlich wusste sie, dass ich an
Hallas Tagebücher herangekommen war, aber konnte es einfach nicht fassen, wie
es mir gelungen ist, das richtige Passwort zu finden. Wiederholt ständig, dass
sie von nichts gewusst hat.
»Hat Halla dir nie gezeigt, was sie
geschrieben hat?«
»Das Tagebuch war völlig privat«, antwortet Lilja Rós.
»Halla hat keinen darin lesen
lassen, nicht einmal mich.«
»Aber du hast von dem Tagebuch gewusst.«
»Natürlich.«
»Bist du nicht neugierig geworden?«
»Politik hat mich noch nie
interessiert.«
»Aber es ist doch ganz normal, ein
bisschen neugierig zu sein.«
»Halla hat mir manchmal gezeigt, was
sie geschrieben hatte. Es ging dabei um Finanzgeschichten, Wahlen und so was.
Ich fand das nicht besonders spannend.«
»Mir fehlt alles, was sie im letzten
Jahr geschrieben hat. Weißt du vielleicht, wo das gespeichert ist?«
»Könnte es nicht auf der Festplatte
von ihrem Computer gewesen sein? Auf dem, der gestohlen wurde?«
»Sie hat dich also nicht gebeten,
Kopien ihrer Tagebücher aufzubewahren?«
Lilja Rós schüttelt den Kopf und
lächelt. Sie hat so einen besonderen schuldbewussten Gesichtsausdruck. Als ob
sie lügen würde und sich dafür schämt.
»Die Geschichte von Halla zeigt,
dass Wissen Macht ist, nicht wahr?«
»Sie kam in kurzer Zeit ziemlich
weit, wenn es das ist, was du meinst«, antwortet Lilja Rós.
»Hmmhmm ...«
»Es war nicht leicht für sie. Trotz
dem ganzen Geschwafel über Gleichberechtigung haben Frauen in der Politik noch
lange nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer. Die
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