Stella Blomkvist
dir nicht
alles angucken«, antwortet sie lachend und schiebt eine Kassette ins Videogerät.
Wir setzen uns vor den Fernseher.
Es sind alles normale selbst
gedrehte Aufnahmen. Man sieht Halla, Lilja Rös und andere Leute, die ich nicht
kenne. Manche Passagen sind in der Wohnung aufgenommen, andere im Urlaub. Dann
gibt es noch Bilder von Halla an ihrem Arbeitsplatz.
Irgendwie ist es komisch, Halla auf
einmal lebendig im Fernsehen zu sehen. Zu sehen, wie sie spricht, lacht und
Grimassen zieht. Sie war wirklich eine gut aussehende Frau. Aber sie wirkt auf
mich trotzdem ganz anders als auf den Fotos, die ich gesehen hatte.
Jetzt hält sie gerade eine Rede.
Macht das wirklich gut. Bringt die Leute zum Lachen. Sie bedankt sich für ein Geschenk, das sie von ihren
Arbeitskollegen bekommen hat. Hält es in der einen Hand. Sieht aus wie moderne
Kunst. Eine gegossene Statue aus Metall.
»Das habe ich an Hallas
fünfundzwanzigstem Geburtstag aufgenommen«, erklärt Lilja Rós. »Da hat sie
noch in der Parteizentrale gearbeitet.«
»Die Rede war wirklich gut. Hat sie
viele Reden gehalten?«
»Halla war gut. Sie hat sich immer
mit Elan für alles eingesetzt, was sie sich vorgenommen hatte.« Sie schiebt
eine andere Kassette in das Videogerät. »Hier müssen Bilder von ihr und dem
Ministerpräsidenten drauf sein.«
Sie findet die Passage schnell. »Ich
habe das in ihrem Büro in der Staatskanzlei aufgenommen, an dem Tag, an dem sie
dort angefangen hat.« Stolz schwingt in der Stimme mit.
Da ist Halla zusammen mit dem
Premier. Und Haukur. Alle mit dem schönsten Sonnenscheinlächeln. Halla setzt
sich an den Schreibtisch und die Männer stehen neben ihr, küssen sie auf die
Wange und schauen dann in die Kamera.
Dann kommen andere Bilder von Halla,
auf denen sie alleine am Schreibtisch sitzt und Papiere durchsieht, am Computer
schreibt oder telefoniert.
»Das ist alles gestellt«, erzählt
Lilja Rós. »Das ist doch gut geworden, findest du nicht?«
»Ja, es sieht wirklich echt aus.«
Jetzt steht Halla am Schreibtisch.
Sie schaut eine Weile in die Kamera und sagt etwas, was man nicht hören kann.
Dann nimmt sie einen Blumentopf und stellt ihn auf eine Ecke des Tisches, hinter
das Telefon. Neben das Kunstwerk, das Geburtstagsgeschenk.
Ich hole Jackie und die Gläser und
gieße uns beiden noch mal ein. Dann gucken wir weiter Videos an, bis ich genug
gesehen habe und zu gähnen anfange.
»Ich gehe jetzt nach Hause und leg
mich hin.«
»Du kannst doch in Hallas Bett
schlafen«, sagt Lilja Rös, krabbelt auf den Knien zum Videorecorder und macht
ihn aus.
»Nein, ich fahre lieber nach Hause.«
»Warum, hier ist doch genug Platz?«
»Okay, dann schlafe ich im rosanen
Gruselkabinett.«
»Im rosanen Gruselkabinett?«, wiederholt sie und lacht aus
vollem Hals. »Das passt ja super!«
»Schläfst du nie da?«
»Um Gottes willen, nein, das würde
mir im Traum nicht einfallen!«
Ich stehe auf, gebe ihr eine Hand,
ziehe sie auf die Füße.
Es ist noch ein bisschen Jackie in
der Flasche. Deshalb nehme ich das Glas und die Flasche mit, sage gute Nacht zu
Lilja Rös, steige die Treppe hinauf und gehe in das rosane Schlafzimmer.
Dort angekommen, kippe ich mir den
Rest ins Glas, nehme einen Schluck, stelle die Flasche auf den Boden und das
Glas auf den Nachttisch, ziehe die Tagesdecke vom Bett, schiebe das Federbett
zur Seite und setze mich schwerfällig auf die Matratze.
Ich bin fast besoffen. Mannomann.
Ich sehe es mir deutlich an, als ich in den großen Spiegel an der Wand gucke. Da springt mir mein
Spiegelbild entgegen, das auch auf dem rosanen Bett sitzt. Fast besoffen.
Ich stehe wieder auf, gehe zu der
anderen Spiegelwand und betrachte mein Gesicht. Fahre mit den Fingern durch
mein Haar.
Es besteht kein Zweifel, ich
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