Stella Blomkvist
ausgestreckten Arm. Das glänzende Kunstobjekt zielte
direkt auf meinen Kopf. Es gab keine Ausweichmöglichkeit. Ich habe versucht,
zu schreien, aber konnte nicht. War wie gelähmt. Mir wurde schwarz vor Augen.
In dem Moment bin ich schweißgebadet und mit Pulsrasen aufgewacht.
Ich versuche, mich in der Dunkelheit
zu orientieren. Beuge mich dann zur Nachttischlampe. Mache Licht an.
Ich liege alleine in meinem Bett.
Hinter zugezogenen Vorhängen. Gucke auf meinen Wecker. Es ist immer noch mitten
in der Nacht. Habe gerade mal zwei bis drei Stunden geschlafen.
Lege mich im Bett auf den Rücken.
Schließe die Augen. Merke, wie sich die Ereignisse von gestern wieder ins
Gedächtnis drängen.
Raggi hatte mich gegen sechs Uhr
abends angerufen. »Hast du was von Saemi gehört?«, fragte er ohne große
Vorreden.
»Was meinst du?«
»Sein Flugzeug ist verschwunden.«
»Wie, verschwunden?«
»Der Tower in Ísafjördur hat vor
ungefähr einer Stunde den Funkkontakt zu ihm verloren. Sie glauben, dass das
Flugzeug abgestürzt ist.«
Ich sah Saemi noch einmal vor mir.
Wie wütend und aufgeregt er war, als wir gestern auf dem Flugplatz auseinander
gegangen waren.
»Hat er einen Hilferuf gesendet?«,
fragte ich.
»Nein, ich glaube nicht. Aber eine
Maschine der Flugüberwachung und ein paar Helikopter müssten jetzt im Gebiet
angekommen sein. Allerdings ist dichter Nebel über dem Hochland im Westen. Die
Suche kann sich also hinziehen.«
Ich blieb am Ende des Gespräches in
meinem Büro sitzen und durchdachte diese unerwarteten Neuigkeiten. Unfall oder
Absicht?
Hatte Saemi wirklich gedacht, dass
er alle Hoffnungen begraben kann? Dass er sich nicht auf die letzte Schlacht mit dem König einlassen könnte?
Hatte er sich angesichts der Übermacht geschlagen gegeben?
Vielleicht.
Aber was hatte er mir da noch mal
auf dem Flugplatz gesagt? Ein König, der noch einen Turm und eine Dame zur
Verfügung hat, kann nicht von einem Bauern matt gesetzt werden? Das war doch
so?
Sigvaldi war natürlich der König.
Musste sein. Aber von was für einem Turm hatte Saemi gesprochen? Haukur oder
was?
Und was für
eine Dame?
Halla war zweifellos eine Art Dame.
Aber sie war schon längst tot und begraben. Und mir fiel keine andere Dame in
diesem Schachspiel ein.
Oder?
Die Bilder von Halla und Lilja Rós
kommen mir aus dem Gedächtnis wieder hoch. Ihr Spiel im rosanen Gruselkabinett.
Ich war mir immer so sicher, dass Halla die war, die das Heft in der Hand
hatte. Etwas anderes kam nicht in Frage. War das vielleicht ein
Missverständnis?
Ich schloss die Augen und sah die
beiden wieder vor mir. Das ausgelassene Spielchen auf dem Bett, bei dem Lilja
Rós die Rolle der Stärkeren einnahm. Die Verwechslung der Pager.
Die Pager!
Irgendwas war da mit den Pagern, das
mich schon länger gestört hatte. Irgendwas, auf das mich mein Unterbewusstsein
schon lange vergeblich aufmerksam machen wollte. Ich hatte es immer wieder von
mir weggeschoben. Was zum Teufel konnte das sein?
Plötzlich schoss mir die Antwort wie
ein Blitz durch den Kopf. Ich hieb ganz unfreiwillig mit der Faust auf den
Tisch.
Die Nummer!
Ich sprang auf, ging zu einem der
Aktenschränke, öffnete ihn, nahm zwei Akten heraus und legte sie auf den
Schreibtisch. Atmete tief ein, bevor ich die Schriftstücke in der einen Mappe
durchsuchte.
Die Pager-Nummer, die Birna mir
gegeben hatte. Und den Goldjungs. Ich hätte sie doch gleich wiedererkennen
müssen, als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Jetzt wusste ich es. Mir
hatte nur die Bestätigung gefehlt.
Da war sie.
Ich schrieb die Nummer auf ein
gelbes Memo-Zettelchen. Legte dann Birnas Unterlagen zur Seite und öffnete die
andere Mappe. Blätterte, bis ich das richtige Blatt gefunden hatte.
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