Stella Blomkvist
den Rücken und lächelt Lilja Rós an, die ihren
Pager achtlos zur Seite wirft und sich wieder über Halla beugt.
Ich höre ein Schniefen hinter mir.
Es ist Lilja Rós. Sie war ins
Wohnzimmer gekommen, ohne dass ich sie bemerkt hatte, und schaut mit Tränen in
den Augen auf die Bilder vom Video.
»Setz dich zu mir«, sage ich und
ziehe sie zu mir aufs Sofa.
Wir gucken uns zusammen das Video
bis zu Ende an. »Was war das da für eine Sache mit den Pagern?«, frage ich,
als sie sich wieder eingekriegt hat.
»Wir hatten beide genau das selbe
Gerät«, antwortet sie. »Manchmal wussten wir nicht, wer von uns angerufen
wurde. Aber es war meistens für sie.«
Haukurs Starauftritt ist auf der
letzten Videokassette, die ich ins Gerät schiebe. Die Videokamera war schon
einige Zeit gelaufen, als er völlig besoffen ins Schlafzimmer torkelt.
Er setzt sich mit dem Glas in der
einen Hand aufs Bett. Nimmt gerade noch einen Schluck, als ein Mädchen
hereinkommt. Sie setzt sich neben ihn. Küsst ihn immer wieder. Zieht ihm das
Sakko aus. Löst die Krawatte.
Als Haukur sie wegstößt und sich
rücklings auf das Bett fallen lässt, zieht sich das Mädchen aus. Schnell. Bis
sie nackt vor ihm steht. Dreht sich um sich selber und streicht mit den Händen
über ihren Körper wie eine geübte Stripperin. Kniet sich dann über Haukur,
öffnet seine Hose und bemüht sich, ihn mit Schlecken auf Touren zu bringen.
Plötzlich tritt Haukur sie aus dem Bett. Als sie vom Bett rollt, schlägt sie
kräftig mit dem Kopf auf dem Fußboden auf. Beide liegen bewegungslos an ihrem
Platz.
War das
alles?
Ich spule vor. Lasse dann wieder
langsam weiterlaufen. Da war endlich eine Bewegung. Ein paar Leute sind ins Zimmer gekommen. Jemand beugt
sich über das Mädchen am Boden. Kommt mir bekannt vor. Nun guckt der Typ nach
Haukur im Bett. Dreht sich dann um.
Ich bin
unangenehm überrascht. Es ist Saemi.
Er spricht mit jemandem, der so weit
vom Bett weg steht, dass man ihn nicht auf dem Film sehen kann. Es sieht aus,
als hätten sie eine Auseinandersetzung. Saemi schüttelt den Kopf. Hört dem Unsichtbaren
zu. Guckt erst zum Mädchen, dann wieder zum Mann, den die Kamera nicht erfasst. Flucht. Zieht
sich dann die Schuhe aus. Wirft sie zur Türe. Zieht Haukur die Schuhe aus und
sich an. Steht beim Mädchen. Schaut wieder den Unsichtbaren an. Sagt etwas.
Wartet.
Plötzlich beginnt Saemi, das
Mädchen, das bewusstlos auf dem Boden liegt, zu treten. Immer wieder. Tritt sie mit den schwarzen Schuhen blutig.
Tritt sie in die Brust, den Magen, ins Gesicht. Sie wird durch die kräftigen
Tritte herumgeschleudert.
Endlich hört er auf zu treten und
schaut mit finsterer Miene auf. Zieht dann die Schuhe aus. Steckt sie wieder auf Haukurs Füße, zieht ihn dann vom
Bett herunter auf den Boden und schiebt ihn neben das blutige Mädchen. Steigt
über beide drüber und verschwindet aus dem Bild.
Kurze Zeit später sieht man deutlich
drei oder vier Blitzlichter, als würden Fotos geschossen. Dann wird die Kamera
ausgeschaltet.
Wir sitzen eine Weile schweigend vor
dem grauen Bildschirm.
Die Sache hatte sich völlig anders abgespielt,
als ich erwartet hatte. Haukur hatte zwar das Mädchen von sich weg auf den
Boden getreten, aber sie nicht anderweitig misshandelt. Das hatte Saemi getan.
Für solch einen brutalen Angriff wandert er bestimmt ein paar Jahre in den
Knast. Und das Video ist seine Eintrittskarte. Er schien allerdings auf
Anweisung gehandelt zu haben. Aber auf dem Video war an keiner Stelle
ersichtlich, wer den Befehl gegeben hatte.
»Hast du das schon mal gesehen?«,
frage ich.
»Ja«, antwortet Lilja Rós. »Deshalb
wusste ich ja auch, dass Saemi zu allem fähig ist.«
»Aber da war mit Sicherheit noch
jemand mit ihm im Zimmer«, fahre ich fort. »Weißt du, wer?«
»Halla hat’s mir gesagt.«
Ich schaue sie fragend an.
»Es war
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