Stella Cadente - Niemals darf es sein
finden. Aber außer gelegentlichen Fr agen an einen noch unbestätigten Bruder hatte Lili nichts ernsthaft unternommen. Das konnte man nicht unbedingt als hartnäckig bezeichnen. Also entschied sie sich am Vormittag, das Haus zu verlassen und ein Internetcafé aufzusuchen, um dort ein wenig nachzuforschen.
In dem kleinen Internetcafé gegenüber des Palazzo Pitti , das ihr bereits am Tag zuvor aufgefallen war, begann Lili ihre Suche. Im Internet gab es mehr als tausend Einträge zu Paolo Vincelli. Es trugen doch mehr Italiener diesen Namen als Lili gedacht hatte. Aber der am häufigsten wiederkehrende Paolo Vincelli war der Inhaber und Gründersohn von Vincelli International Shipping .
Matteos Vater.
Dieser Paolo Vincelli hatte das kleine, aber durchaus rentable Familienunternehmen binnen zweier Jahrzehnte zu einer der führenden Speditionen Italiens gemacht. Dies war ihm nur gelungen durch Disziplin, Hartnäckigkeit und – so hieß es im Internet – Skrupellosigkeit.
Als Lili am frühen Abend mit ihrem neuen Basiswissen auf Papier gedruckt zurück in Matteos Haus kehrte, hörte sie es in der Küche klappern. Offenbar war Matteo inzwischen nach Hause gekommen und bereitete nun alles für ihr gemeinsames Dinner vor.
E r kochte also tatsächlich selbst? Ohne ihre Anwesenheit kundzutun, ging Lili mit einem flauen Magen nach oben in ihr Zimmer, um sich ihrerseits für den Abend mit Matteo vorzubereiten. Sie duschte – natürlich nur um die Hitze des Tages abzuwaschen. Als sie dann in ein Handtuch gewickelt und mit tropfenden Haaren vor ihrer Reisetasche stand, stellte sie fest, dass sie keine Ahnung hatte, was sie anziehen sollte. Und anziehen wollte . Zwar respektierte sie seine Mühe und die freundliche Geste seiner Einladung, doch sollte dieser Abend auch anders verlaufen, als er es jetzt noch vermutete. Um ihm das zu sagen, was sie nun schon seit Tagen mit sich herumtrug, war eine schicke Abendgarderobe schlichtweg unangemessen. Schweren Herzens entschied sich Lili für einen weißen, knöchellangen Wickelrock mit dezentem Blumenmuster, und eine weiße Bluse mit kurzen Ärmeln und unaufdringlichen Verschnörkelungen. Ihr Outfit war ebenso sommerlich, wie es auch geschäftlich sein konnte. Der Grundton weiß sollte die Unschuld ihres Treffens unterstreichen.
Lili hoffte nur, dass Matteo es auch so erkennen wü rde, noch bevor sie die Gelegenheit hatte, ihm die Wahrheit zu beichten.
Als sie um acht Uhr mit weichen Knien die Treppe hinunter zum Speisezimmer ging, musste sie sich am Geländer festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ihr Atem ging stockend und sie musste sich immer wieder daran erinnern, Luft zu holen. In ihrem Magen herrschte ein panisches Durcheinander, ebenso wie in ihrem Kopf.
Als sie den Raum betrat, in dem sie mit Matteo e ssen würde, erwartete dieser sie bereits. Er trug erneut eine schwarze Jeans und ein dunkles T-Shirt, doch diesmal hatte er sich formlos eine rote Krawatte umgebunden. Als er Lili bemerkte, lächelte er sie erwartungsvoll an.
» Da bist du ja, Lili.«
Lili verspürte das Bedürfnis, sofort mit ihrem G eständnis herauszuplatzen, obwohl sie sich auch davor fürchtete. Andererseits hatte sie auch die Sorge, Matteo könne sich zu viel von diesem Abend versprechen. Ihre Unsicherheit wuchs noch mehr, als Matteo einen Schritt zur Seite tat und den mit Kerzen, roten Rosen und weißen Lilien gedeckten Tisch freigab.
Lili erstarrte. Ihr schlechtes Gewissen wuchs in i hrer Brust, als sie das köstliche Menü erblickte, das er auf dem Tisch drapiert hatte.
» Matteo … ich … ist das alles für mich?«, fragte sie atemlos und bereute es mehr denn je, ihm nicht gleich die Wahrheit gesagt zu haben.
» Eigentlich dachte ich dabei an uns, aber wenn du meinst, du kannst das alleine essen …«, scherzte er entspannt, während er einen Stuhl hervorzog, damit Lili sich setzen konnte. Ganz der Gentleman, gutaussehend, attraktiv und unwiderstehlich. Lili wusste, sie würde erneut schwach werden, wenn er sich ihr zu nähern versuchte. Sie musste es ihm sagen, schnell, auch für ihren eigenen Frieden.
» Hast du das alles selbst gekocht?«, fragte sie, während sie sich setzte.
» Ich habe mir die größte Mühe gegeben. Einige unserer alten Familienrezepte wollten von mir ausprobiert werden.«
Familienrezepte? Lili musste schmerzhaft schl ucken, und etwas schien ihr dabei in der Kehle steckenzubleiben.
» Ich hoffe, es gibt keinen besonderen Anlass für diese
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