Stella Cadente - Niemals darf es sein
des eingetretenen Alterungsprozesses ein resolutes und lebendiges Auftreten. Dieser Paolo Vincelli hatte nicht viel mit dem gutaussehenden Matteo gemein, abgesehen von dem kräftigen Kiefer.
Paolo Vincelli war trotz seines Alters ein ei ndrucksvoller Mann, der in jüngeren Jahren sicher viele Frauenherzen gebrochen hatte.
» Matteo! Was für eine Überraschung, dich in meinem Haus zu begrüßen. Ich hätte nicht gedacht, dass du uns jemals wieder mit deiner Anwesenheit beglücken würdest«, begrüßte Paolo seinen Sohn emotionslos, ohne Lili auch nur eines Blickes zu würdigen. Er streckte Matteo seine Hand entgegen, doch Matteo ignorierte diese Geste, seine eigene freie Hand tief in der Hosentasche vergraben.
» Wie hättest du auch, nachdem du mir so unmissverständlich klargemacht hast, dass ich hier nicht mehr willkommen bin«, erwiderte Matteo nüchtern.
» Da magst du wohl recht haben, mio figlio .«
Paolo zog seine Hand zurück und ließ sich dabei nicht anmerken, was er von dieser Antwort hielt. Auch er steckte nun die Hände in die Taschen seiner feing eschneiderten Anzugshose. Er nickte Santos zu, der sich daraufhin geräuschlos zurückzog.
» Was macht das Geschäft?«, fragte Matteo nach einer Weile, in der sich Vater und Sohn wortlos gemustert hatten.
Paolo machte ein abwertendes G eräusch. »Tu nicht so, als würde dich das interessieren. Das steht dir nicht.« Er machte eine Pause, doch offenbar behagte ihm das Schweigen nicht, denn schon kurz darauf fragte er gequält: »Und, wie ist es dir ergangen? Das Caffè Farfalla di Mare läuft gut, nehme ich an?«
Matteo schüttelte ungläubig den Kopf. »Dito, Vater«, sagte er bitter.
Wieder entstand eine Pause, in der sich Lili beso nders unwohl fühlte. Sie konnte nicht einschätzen, was als nächstes geschehen würde und wie sie schließlich die Sprache auf das eigentliche Thema bringen sollte. Immerhin schien Paolo nicht einmal von ihrer Anwesenheit Notiz genommen zu haben. Es war, als würde Lili nur träumen, bei dieser Begegnung dabei zu sein, und in Wirklichkeit war sie gar nicht hier.
» Matteo? Bist du es wirklich? Il figlio mio prediletto !«, ertönte plötzlich die herzliche Stimme einer älteren Frau. Lili sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Im Türrahmen stand eine Frau, klein und übergewichtig, mit einer Schürze über ihrem Designerkleid, und blickte Matteo aus feuchten Augen an. Sie hatte ein freundliches, beinahe mütterliches Gesicht, und besaß so viel mehr Ähnlichkeit mit Matteo als sein Vater.
» Ciao, Madre !«, sagte Matteo, als er sie erblickte. Diesmal klang seine Stimme anders, viel herzlicher als bei der Begrüßung seines Vaters. Seine Mutter kam auf ihn zu und nahm ihn stürmisch in die Arme, wobei sie ihn von Lilis Hand losriss.
» Il figlio mio prediletto «, sagte sie immer wieder glücklich, während sich Matteo von ihr drücken ließ. Lili wurde warm ums Herz, jedoch fiel es ihr schwer, dies auch wahrzunehmen. Denn die Angst vor der bevorstehenden Unterhaltung hatte sie erstarren lassen. Dennoch begleitete sie nun auch das gute Gefühl, einer Mutter ihren Sohn wiedergebracht zu haben. Dass sie in wenigen Augenblicken vermutlich eine Familie zerstörte, versuchte Lili zu verdrängen.
Als sich Matteos Mutter schließlich von ih rem Sohn löste, schob sie ihn durch die Vorhalle in einen Raum. Dabei tätschelte sie ihm ununterbrochen die Hand und sprach glückselige Worte auf Italienisch. Lili fühlte sich alleine gelassen. Als sie bemerkte, dass Paolo seiner Frau und Matteo brummend folgte, machte sie es ihm unsicher gleich.
Der Raum, den sie dann betrat, musste das Woh nzimmer sein. Allerdings war diese simple Beschreibung des Zimmers eine offensichtliche Untertreibung. Der weitläufige Raum hatte die Größe einer ganzen Wohnung und war ebenfalls, wie bereits die Vorhalle, mit antiken und wertvollen Möbeln ausgestattet.
Matteo und seine Mutter hatten sich mittlerweile auf die großzügige champagnerfarbene Couchgarnitur niedergelassen, während sie weiterhin ununterbr ochen liebevoll seine Hand tätschelte.
» Genug der Gefühlsduseleien«, rief Paolo mit einer ungeduldigen Handbewegung, als er zu ihnen ins Zimmer trat und sich auf einen Sessel in der gleichen Farbe der Couch niederließ. Lilis Augen trafen die von Matteo, und mit seinem Blick deutete er, dass sie sich zu ihm setzen sollte. Mit zittrigen Beinen durchquerte sie den Raum und spürte, wie plötzlich alle Blicke auf ihr
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