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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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wohnte in den Außenbezirken der Stadt nahe der Adam-Kaserne. In meiner Soester Zeit hatten wir Jungen beobachtet, was Frauen und belgische Soldaten dort am Drahtzaun trieben. Die Soldaten waren nun längst zurück in ihre Heimat, die leichten Mädchen von damals hatten sicher Gewicht zugelegt, womöglich selbst Kinder, und in der Nähe der Kaserne, wo wir damals auf einem Bauernhof Verstecken spielten und über Viehweiden rannten, standen nun Häuser.
    Ich schellte bei Böke, hörte auch Geräusche im Innern des Hauses, aber niemand machte auf. Vielleicht hatte sich mein Besuch inzwischen herumgesprochen und der eine oder andere der alten Spielkameraden legte keinen Wert darauf, mich zu sehen.
    Verschlossene Türen sind Vertreterschicksal.
    14.
    Wie ein Vertreter schrieb ich am Abend den Bericht für meine Klientin Anne Mehringer. Es war immer gut, ein paar Notizen als Arbeitsnachweis parat zu haben. Danach rief ich Cetin an.
    Erkundigte man sich früher am Telefon als Erstes nach dem Wohlbefinden, so fragt man heutzutage nach dem Standort des Angerufenen. Eine dumme Angewohnheit, aber nützlich.
    »Ich bin in Oberhausen, Chefe, im Centro.«
    »Einkaufsbummel?«
    Cetin war empört. »Nein, die Frau, die ich beobachten soll, die arbeitet hier in einem Laden für Sportartikel. Seltsame Tante.«
    »Wieso?«
    »Heute ging sie in ihrer Mittagspause zuerst zu einem Imbiss und danach fuhr sie bei einem Typen vorbei, der in einer Garage in der Nähe vom Gasometer mit Motorrädern handelt.«
    »Was ist so komisch daran? Es gibt Frauen, die dauernd neue Schuhe kaufen, und andere, die sich für Motorräder interessieren.«
    »Ja, weiß ich. Aber ein Motorrad um diese Zeit, das ist was für die harten Typen, eine Frau friert sich da doch den Arsch ab – sorry, bei Frauen sagt man wohl Popo. Außerdem kennen Sie den Händler nicht.«
    Cetin kannte ihn sehr gut, und zwar aus Zeiten, die er nicht benennen wollte. »Der Typ wird in der Biker-Szene, die sich sonntags immer am Parkplatz Kaiserberg trifft, Schopper genannt. Dieser Schopper, der eigentlich Arno Schopinski heißt, verkauft neben anderem Zeugs alte
    Wehrmachtsmaschinen, solche mit Beiwagen, wie sie in den amerikanischen Kriegsfilmen gezeigt werden; das ist für die Amis das Größte, ein Kraut in einem Beiwagen mit einem Gesicht wie aus Stein und einem Karabiner in der Hand…«
    »Kommen Sie zur Sache, Cetin!«
    »Also, der Typ vertickt diese Wehrmachtsmaschinen und behauptet, irgend so ein Nazi-Bonze sei damit aus Berlin geflohen, Rommel oder Graf Stauffenberg beispielsweise…«
    »Nun mal langsam, Graf von Stauffenberg war im
    Widerstand und Rommel in Afrika.«
    Cetin fand meinen Einwand kleinlich und typisch deutsch.
    »Schopper handelt auch mit alten Autos. Einem Freund von mir, der für Marilyn Monroe schwärmt, hat er einen Cadillac angedreht, in dem John F. Kennedy angeblich mit der blonden Göttin – sein Ausdruck, Chefe –, also in dem der gute JFK mit der MM auf dem Rücksitz angeblich ein Nümmerchen
    geschoben hat, die Sportflecken auf den Polstern würden hundert Pro den DNA-Mustern der beiden entsprechen, ein Zertifikat von der Uni Bochum würde das beweisen. Stimmte natürlich nicht, ein Bekannter von dem Käufer hat das Fleckenzeugs im Labor seiner Firma untersucht und
    herauskam, es war Joghurt und kein Sperma. Logisch, dass mein Freund ihm die Karre wieder auf den Hof gestellt hat, logisch, dass er ihm was auf die Zwölf gegeben hat. Respekt, denn Schopper ist nicht ohne.«
    »Verstehe.«
    »Nebenbei handelt Schopper auch mit Kriegsorden, die er von Grabräubern aus Russland bezieht.«
    »Hm, aufregend.«
    Ich hatte keinen Fernsehapparat in meinem Hotelzimmer und ließ Cetin reden. Und ähnlich wie bei manchen
    Fernsehsendungen wurde ich schläfrig. Bevor mir die Augen zufielen, fragte ich Cetin, ob Irene Gorgas sich mal in der Nähe von unserem Klienten Kelian gezeigt habe, entweder beim Radiosender oder bei ihm zu Hause. Nein, aber er sei ihr ja nicht ständig gefolgt.
    Ganz bewusst, um ihm zu schmeicheln, hatte ich von
    »unserem« Klienten gesprochen. Und ich legte noch einen drauf: »Gute Arbeit, bleiben Sie weiter dran!«
    Cetin gab mir den Tipp, in einem Internetcafé meine E-Mails abzurufen, dann legte er auf.
    15.
    Obwohl ich keine Nachricht in meinem elektronischen Briefkasten erwartete, ging ich am anderen Morgen in ein Internetcafé. So früh am Tage konnte ich bei den Leuten, die ich besuchen wollte, sowieso nicht aufkreuzen, ohne mich

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