Stelzvogel und Salzleiche
verdächtig zu machen.
Die erste E-Mail hieß mich willkommen im Reich von Bill Gates und Microsoft. Die zweite Nachricht hatte eine Witzkarte als Anhang und kam von Cetin. Deshalb hatte er mich also darauf hingewiesen, dass ich die Post abrufen müsse.
Na schön! Der Absender der dritten Mail bestand nur aus Zahlen, dem @-Zeichen und dem Kürzel des Internetanbieters.
Die Nachricht war sehr kurz:
Hallo Schnüffler, Sie vernachlässigen Ihr Revier.
Verdammt, wer kannte meine Adresse?
Diese Frage beschäftigte mich eine ganze Weile. Lag es daran, dass dieses Medium Internet so neu für mich war? Das musste es sein, denn es handelte sich doch nur um einen simplen Satz, der nicht einmal eine Drohung enthielt.
Während ich noch darüber nachdachte, machte mich ein Ton aus dem Computerlautsprecher auf eine neue E-Mail
aufmerksam. Absender war Verena Bongarts, meine Exfrau, sie schrieb:
… wünsche dir nette Zuschriften und zahlungskräftige Auftraggeber… Verena
Typisch, dieses ironische Biest! Tat gerade so, als hätte sie mich bislang unterstützen müssen. Dabei war ich es gewesen, der ihrem neuen Ehemann, Harro Bongarts, den Weg vom Bundestagsabgeordneten zum Staatssekretär freigeschaufelt hatte. Natürlich nicht bewusst, Verena hatte mich auf die Spur des vorigen Staatssekretärs gehetzt. Ich deckte eine Affäre auf, der Staatssekretär musste gehen, Verenas Gatte bekam als sein Nachrücker den Posten – und ich ein kleines Honorar. Die Sache wurmte mich noch immer. Und nun diese Anspielung, als ob ich nach unserer Scheidung vereinsamt wäre.
Etwas Gutes hatte Verenas Nachricht: In einem Nachsatz stand, dass sie beim Stöbern im Internet auf meine Webseite gestoßen sei – und das war dann wohl auch die Antwort auf die Frage, wie der geheimnisvolle, aus Zahlen bestehende Absender an meine E-Mail-Adresse gekommen war.
Aber ganz sicher war ich mir da nicht. Also rief ich Cetin an und er war sofort in seinem Element: »Nur eine einzige Mail unbekannter Herkunft? Das Netz ist voller Müll. Und schnell soll das sein? Beamte der amerikanischen Handelsbehörde haben vor einiger Zeit einen Test gemacht. Sie haben eine frische E-Mail-Adresse, so eine wie Ihre, ins Netz gestellt. Es dauerte keine zehn Minuten, bis die ersten Angebote eintrafen: Wie werde ich reich in dreißig Tagen, wo finde ich willige Frauen, was kostet eine Penis Verlängerung.« Er lachte.
»Hochinteressante Fragen, aber doch eher allgemeiner Art.
Die Anrede Schnüffler in meiner Mail hingegen klang ziemlich persönlich.«
»Vielleicht ein so genannter Hoax, also ein Jux, ein elektronischer Schabernack, ausgeheckt von irgendeinem Witzbold, der genauso gut im Nachbarort wie am Ende der Welt sitzen kann und alle Neulinge im Netz mit diesen Worten begrüßt.«
Ich versuchte den Zweifel in meiner Stimme zu unterdrücken.
»Sie meinen, das ist wie beim Horoskop, wo jeder sich das raussucht, was zu ihm passt?«
»So ist es, Chefe, genau so.«
Ich starrte auf die Nachricht, die ich mir ausgedruckt hatte.
Ganz überzeugt war ich nicht.
16.
Arbeit ist die beste Methode, um sich von grauen Gedanken abzulenken. Leichter Wind vertrieb den Morgendunst, die Sonne kam durch, es versprach ein schöner Tag zu werden.
Mit der Namensliste auf dem Beifahrersitz fuhr ich als Erstes noch einmal zu Reimer Böke. Doch anders als gestern parkte ich meinen Wagen in einer Nebenstraße und näherte mich dem Haus von der Rückseite. Obwohl sich seit meiner Schulzeit hier so viel verändert hatte, kannte ich mich noch ganz gut aus.
Die großen Gärten, die früher hinter den Häusern gelegen hatten, waren verschwunden, aber ein paar Hecken standen so dicht wie einst.
Reimer Böke fuhr regelrecht zusammen, als er mich durch die Büsche kommen sah. Verständlich, denn in seinem Trainingsanzug aus leuchtender Fallschirmseide hatte ich ihn auf der Terrasse natürlich viel eher erkannt als er mich.
»Was…? Ach, du, Elmar.« Hastig zog er die Tür, die ins Haus führte, hinter sich in Schloss. »Meine Mutter, sie ist sehr lärmempfindlich und sie fühlt sich überhaupt nicht wohl.«
»Wollte mal mit dir plaudern, ganz leise, gemütlich.«
Reimer hatte schon von meinem Besuch gehört. Auch, dass ich mich mit dem Tod von Peter Rugen beschäftigte, war durchgesickert; meine Legende vom Bericht über Soest konnte ich also fallen lassen und so kam ich gleich zur Sache.
»Was hat Peter Rugen in den letzten Jahren vor seinem Tod so gemacht?«
»Woher soll ich
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