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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Schon war das Messer in der Luft, dann steckte es mit einem satten ›Plop‹
    in der Scheibe. Zwar nicht genau im roten Zentrum, aber auch nicht allzu weit davon entfernt.
    »He, nicht schlecht, Chefe, gar nicht schlecht. Respekt!«
    Wir waren quitt.
    13.
    Diesmal nahm ich die Autobahn nach Soest. Es war erst früher Nachmittag, als ich losfuhr, ich musste aber bereits die Scheinwerfer einschalten, und als ich dann in Soest ankam, war es vollkommen dunkel. Ich hatte im Pilgrim-Haus für mich ein Zimmer reserviert; Westfalens ältester Gasthof lag innerhalb des Stadtwalls direkt am Jakobitor. Ich fand einen Parkplatz vor dem Eingang, trug meine Reisetasche über knarrende Dielen in ein kleines Zimmer und legte mich probeweise auf das Bett, das dort womöglich schon seit dem Mittelalter stand, als die Durchschnittsgröße der Menschen noch um einiges geringer war.
    Nun, ich war nicht zum Schlafen nach Soest gekommen.
    Das Essen, das ich wenig später im Wintergarten des Hauses bestellte, versöhnte mich. Der westfälische Pfefferpotthast, eine Spezialität aus gekochtem Rindfleisch und Zwiebeln, schmeckte hervorragend und der Nachtisch, Halbgefrorenes aus Pumpernickel, konnte regelrecht süchtig machen. Erst später, als ich im Bett lag und nicht zur Ruhe kam, wurde mir bewusst, dass das Pumpernickel-Parfait mit einer gehörigen Portion Alkohol angereichert worden war. Das musste wohl so sein und war ja auch in Ordnung. Normalerweise. Doch ich bin Exalkoholiker und muss mich selbst vor geringsten Mengen Alkohol hüten.
    Mit den Füßen über dem Bettrand sowie der Erkenntnis, dass die größten Gefahren heutzutage im Essen lauerten, schlief ich nach Stunden dann doch noch ein.
    Am anderen Morgen nach dem Frühstück begann ich mit meiner Arbeit. In vielen Fällen besteht sie ja nur darin, ein paar Leuten auf die Füße zu treten. Im Grunde genommen ist mein Beruf ein Vertreterjob: anklingeln, quatschen, mal schöntun, mal Druck machen. Manchmal wird man zu einer Tasse Kaffee eingeladen, häufiger bekommt man die Tür vor der Nase zugeschlagen. Diesmal wurde mir die Arbeit leicht gemacht, ich bewegte mich im Bekanntenkreis, im Kreis meiner ehemaligen Mitschüler.
    Die Liste, die Anne Mehringer mir zugefaxt hatte, war alphabetisch geordnet. Sie begann mit Ambaum, Oliver und endete mit Ziehlen, Volker. Meine Auswahl traf ich jedoch danach, wen von den Klassenkameraden ich als sympathisch in Erinnerung hatte. Und wen ich als leutselig einschätzte, schließlich wollte ich etwas herausbekommen.
    »Schön, dich zu sehen, Schlömm.« Uwe Siedler war der Erste, der mich mit meinem alten Spitznamen ansprach. »Oder soll ich Elmar sagen? War ja nicht gerade ein Kosename, den wir dir angehängt haben. Hatte, glaube ich, was mit Schlamm zu tun.«
    »Egal.«
    »Also, Schlömm, was treibt dich denn hierher? Letztes Mal war es das Klassentreffen und heute?«
    Ich erzählte ihm, dass ich für einen Bericht recherchierte, der in einer Frauenzeitschrift erscheinen sollte. Damit griff ich auf die Tätigkeit und die Erfahrungen meiner Exfrau zurück, aber warum nicht, da ich sonst schon nichts mehr von ihr hatte.
    Oder nicht viel. Taschenbücher mit Gedichten, Texte von Untergrundautoren und ein paar Bände mit fremdländischen Rezepten hatte sie zurückgelassen. Fotos, die langsam die Farbe verloren, waren geblieben und der literarische Satz
    »Komm her, Elmar, ich vögele dich schwindelig!«, der sich in meinen Hirnwindungen festgekrallt hatte.
    »Weißt du, Uwe, ich schreibe so einen Riemen nach dem Motto Ordnungshüter erinnert sich an die Kindheit und an Jugendsünden. Ja, ja, die alten Kumpel sollen auch darin vorkommen«, ich machte eine Pause, »nun, einer ist ja nicht mehr dabei.«
    »Hm, ja, mit Peter Rugen, das ist ein Ding. Da dachten wir, der macht sich einen schönen Tag, irgendwo an einem Palmenstrand, und dann liegt er in dem alten Salzlager. Ist doch ein Witz.«
    Ich hatte schon Lustigeres gehört, ließ ihn aber reden; es sprudelte nur so aus ihm heraus, endlich war da mal jemand von außerhalb, den man mit seinen Kenntnissen beeindrucken konnte.
    »Die Salzbrunnen in der Soester Umgebung…« Er fing nicht gerade bei Adam und Eva an, aber auch nicht viel später, nämlich bei den ersten Salzsiedern um 600 nach Christi, machte einen Schlenker zur Soester Fehde und erwähnte die Gradierwerke, wo früher die Sole über Schwarzdornhecken rieselte und zu Salz verdickte, das dann zermahlen, abgefüllt und als begehrte

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