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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Handelsware weit verschickt wurde. Das so genannte weiße Gold.
    »Früher, Schlömm, ist ja längst vorbei mit dem großen Salzgeschäft, aber die Solbäder, die bringen noch Geld in die Gemeindekasse.«
    »Interessant!«
    Den Soestern sagt man nach, dass man mit ihnen, bevor ein Gespräch in Gang kommt, einen Sack Salz fressen muss. Von wegen! Der Kerl quatschte mir die Ohren voll. Ich musste auf den Punkt kommen. »Sag mal, Uwe, gab es da womöglich Leute, die Peter nicht mochten?«
    »Der Peter? Den mochten doch alle, blond, blaue Augen, ein Typ wie Robert Redford in jungen Jahren, weißt du doch.«
    Ich konnte mich nicht entsinnen. Und der Vergleich mit Robert Redford und der Leiche, die ich gesehen hatte, wollte mir auch nicht gelingen.
    »Mensch, auf den war doch später sogar eine unserer ehemaligen Lehrerinnen scharf, jung war sie, die, wie hieß sie nochmal? Nee, Moment, warte, jetzt hab ich’s: Anneliese Wührmann, die Wührmaus, so nannten wir sie immer.
    Geschichte und ehm…«
    »Keine Ahnung.«
    »Ja, stimmt, das war, als du schon weg warst.«
    Ich stand auf. An der Tür rief er mir noch nach: »Mit dem Martin hab ich letztens noch über Peter gesprochen, der kennt all die Schoten.«
    Martin Evers, in der Schule Efisch genannt, war der nächste Kandidat auf meiner Liste. Kinder knüpfen oft hellsichtige Gedankenverbindungen, das wurde mir wieder bewusst, als Martin mich begrüßte. Es war, als ob mir jemand einen toten Fisch in die Hand drückte. Martin arbeitete bei der Stadtverwaltung, hatte aber schon Dienstschluss, ein blasser Typ mit schiefem Grinsen und nörgelnder Stimme: »Ja, sicher kenne ich die Anneliese, aber die heißt heute anders, ist verheiratet mit Carlos Mehringer, Geld wie Heu, Mehringer sitzt in mehreren Aufsichtsräten und auch im Stadtrat.«
    Ungefragt erzählte er mir etwas von einer Abstimmung, bei der Mehringer im Rathaus gegen ein neues Seniorenheim mit angeschlossenem Solbad gestimmt hatte. »Und warum? Kann ich dir sagen. Hundert zu eins deshalb, weil die Firma, bei der er auf der Gehaltsliste steht, nicht am Bau des Projekts beteiligt ist.«
    »Und seine Frau, immer noch Geschichte und, ehm, Dings?«
    »Nee, die macht jetzt auf Stadtführerin. Ja, mit der müsstest du dich mal unterhalten, wenn du was über Soest schreiben willst. Was soll das denn eigentlich werden?«
    »Och, so ‘n Artikel für eine Frauenzeitschrift. Ich melde mich wieder.«
    Sein sowieso schon schwammiger Blick wurde noch
    fischiger. Wir standen an seiner Gartentür. Auf die Idee, mich ins Haus zu bitten, war er bis jetzt nicht gekommen. Mir war’s recht.
    Bei meiner nächsten Adresse zog ich eine Niete. Olli Ambaum, mit dem ich mich unterhalten wollte, war in Urlaub.
    »Die Ambaums sind nach Formentera oder Fuerteventura, irgendwo da unten.« Dass beide Reiseziele zwar da unten lagen, das eine aber im Mittelmeer und das andere im Atlantik, musste ich dem Nachbarn nicht erklären. »Wann kommt die Familie Ambaum denn zurück?«
    »Ja, morgen, ich kümmere mich um den Hund von denen, spazieren gehen und so.«
    »Passen Sie auf, dass er Ihnen nicht wegläuft.«
    Jürgen Dönges, der Fahrer bei einer Getränkefirma war, erwischte ich, als er vor einem SB-Markt gerade in seinen Lastwagen steigen wollte. Ich blieb bei meiner Legende, dass ich etwas über Soest und die alten Kumpels schreiben wollte.
    Beim Namen Peter Rugen verdüsterte sich sein Gesicht.
    »Hör mir auf mit dem! Peter war ein Snob.« Er sprach es wie Schnopp aus.
    »Wieso?«
    »Na, schicke Anzüge, wenig arbeiten, aber immer pleite.«
    »Pleite? Er wollte doch eine große Reise machen.«
    »Das ist es ja, plötzlich hatte er Kohle wie ein Weltmeister, aber seine Schulden bezahlen? Nix da!«
    »Wo hatte er das dicke Geld denn her?«
    Jürgen zog die Nase hoch. »Frag mich was Leichteres, Elmar.«
    »Frauen, wie sah es mit Frauen aus?«
    »Der Peter ließ sich doch schon in der Schule für gute Noten befummeln. Und später, nachdem die Mehringer ihm den Job bei der Versicherung ihres Mannes besorgt hatte, da fickte er für einen guten Abschluss die Witwen und die Bauerntrampel in der Börde.«
    »Hat er dir das erzählt?«
    »Erzählt, erzählt, so was hört man.« Er stieß mir mit seinem dicken Zeigefinger vor die Brust. »Mann, ich muss jetzt auf den Bock.« Er schwang sich ins Führerhaus und legte den Gang ein. Ein Stück fuhr ich hinter ihm her, bis ich dann auf dem Weg zu meinem nächsten Kandidaten abbiegen musste.
    Reimer Böke

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