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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Zeigefinger an die Lippen und wies zur Terrassentür. »Ich will es dir ja sagen, ich wollte es schon die ganze Zeit loswerden, es lag mir regelrecht auf der Seele.«
    »Ich höre.«
    »Bei dem Brand ist ein Mensch ums Leben gekommen. Tot.
    Verbrannt. Im Schlaf.« Reimer schluckte.
    Ich dachte an die Leiche im Stadtkrankenhaus, die bräunlich war, aber nur vom Salz, und keineswegs verkohlt. »Peter Rugen ist also an Rauchvergiftung gestorben. Und dann habt ihr den Toten zu dem alten Salzlager geschafft?«
    »Nein, Peter doch nicht! Und angefasst haben wir schon mal gar nichts. Ein Fremder ist auf dem Boot verbrannt, einer von diesen alten Pennern mit den Plastiktüten und drei Mänteln übereinander. Der hatte dort Unterschlupf gefunden.«
    Eine völlig neue Wendung.
    »Wer wusste von dem alten Mann? Du, der Galerist? Nein, ihr alle!« Plötzlich wurde das Bild klar: Nur so konnte der Schwindel glaubhaft sein. Kein Mensch, nicht einmal der abgebrühteste Versicherungsagent würde behaupten, dass eine Gruppe von unbescholtenen Bürgern für eine erhoffte Entschädigung einen Menschen geopfert hatte. »Ihr alle habt es gewusst!«, wiederholte ich. »Wer aber hat den alten Mann auf das Boot gelockt? Ja, gelockt, denn auf den Zufall konntet ihr euch nicht verlassen. Wer?«
    »Das musst du schon selbst herausfinden, Elmar. Ich jedenfalls war’s nicht!«
    »Und wer hat das Feuer gelegt?«
    »Na, der Penner. Nistet sich ein, trinkt dem Bootsinhaber die Schnapsvorräte weg, raucht noch dessen Zigarren – und brennt dann das Boot ab.«
    »So stand es vielleicht im offiziellen Bericht.« Ich schnaubte verächtlich. »Also, wer von euch?«
    Sein Gesicht mit den Hamsterbacken bekam einen bauernschlauen Ausdruck. »Erinnerst du dich noch an dieses Spielchen in der Schule? Jeder sagt ein Wort, die einzeln harmlos, zusammengenommen aber eine Frechheit sind: Herr Lehrer! Dreck! Sack!« Er lachte, fühlte sich wieder ganz obenauf. »Wir haben die Bilder auf Kellers Kahn untergebracht. Mehr haben wir nicht getan! Ist ja nicht verboten, oder? Irgendjemand hat dann einem Obdachlosen den Tipp gegeben, dass er auf dem Boot überwintern könnte.
    Ist sogar menschlich, nicht?«
    So langsam kochte in mir die Wut hoch.
    »Wieder ein anderer hat später die Flasche mit Flüssiggas geöffnet, das Gas hat sich im Kielraum gesammelt. In Yachtzeitschriften wird vor dieser Gefahrenquelle gewarnt, weil das Gas schwerer…«
    »Schon nicht mehr harmlos«, warf ich ein.
    »Eine Fahrlässigkeit. Und der Penner hat schließlich die Zigarrenkippe in die Bilge fallen lassen. Eine Kette von Zufällen, kein Verbrechen, Elmar.«
    »Vielleicht stand es später tatsächlich so im Bericht der Versicherungsgesellschaft. Aber einer von euch hat gezündelt.«
    Reimer hob die Hände, wie ich darauf käme.
    »Nein, nein, du bist keiner, der die Lunte legt, bist nur einer, der zuguckt.«
    Ich erinnerte ihn an die vorpubertären Spiele. Hier hinter den Gärten fanden sie statt, auf dem Fußballplatz, der nicht einmal Sitzbänke, am Eingang aber ein Häuschen hatte, wo die Eintrittskarten verkauft wurden, sonntags. An den
    Wochentagen schlichen wir uns in das Häuschen, mit gleichaltrigen Mädchen, um mit ihnen das zu machen, was wir bei den Soldaten und den erwachsenen Frauen gesehen hatten, was wir aber nicht konnten oder wozu wir uns nicht trauten oder von dem wir nicht wussten, wie es zu bewerkstelligen war, weshalb wir uns die in den Gärten gepflückten Beeren gegenseitig in die Körperöffnungen steckten. Ein
    geheimnisvolles Spiel, das uns etwas ahnen ließ, bei dem die Rollen wechselten, du bei mir, ich bei dir. Nur einer von uns hatte nie mitgemacht, sondern immer nur von außen durch ein kleines Loch in der Wand ins Innere des Kartenhäuschens geguckt.
    »Warst damals schon ein Zugucker, Reimer, bist es immer noch. Bist ein Gaffer, ein Wichser!«
    Ich war zuletzt etwas laut geworden, seine Mutter steckte den Kopf durch den Türspalt, sah das hochrote Gesicht ihres Sohnes und sagte: »Ah, goldene Schulzeit, ihr amüsiert euch über alte Streiche.«
    »Sie sagen es, Frau Böke.«
    Da war ich bei meinen Recherchen auf eine Riesensauerei gestoßen, in der Suche nach dem Mörder von Peter Rugen aber nicht viel weiter gekommen. Eine Gruppe von Scheinheiligen und Betrügern, wie sie in jeder Stadt, in jedem Dorf wohl zu finden war – wer aber hatte diese Riesensauerei ausgeheckt?
    Wie hing das mit der Salzleiche zusammen? Und warum musste Peter Rugen

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