Stelzvogel und Salzleiche
offen.
»Nein, nein, hoffen wir, dass sie mich nun in Ruhe lässt.«
»Hoffen ist immer gut.« Ich meinte das nicht einmal zynisch.
Es betraf ja auch mich, denn auf das Erfolgshonorar, das ich mit meinem Klienten ausgemacht hatte, wollte ich nur ungern verzichten. »Lässt Ihre Verehrerin Sie in Ruhe, ist meine Prämie fällig. Wird sie lästig, indem sie Ihnen einen Eimer Pattex plus einer Ladung Sand über Ihren schönen Wagen schüttet, mache ich dieser menschlichen Klette Feuer unterm Hintern.«
»Pattex und Sand?«
»War nur ein Beispiel, Herr Kelian. Warten wir’s ab. Ab morgen bin ich für ein paar Tage unterwegs. Wenn ich zurück bin, melde ich mich bei Ihnen.«
»Aber ich dachte…« Seine Stimme, sonst so fest und souverän, hatte einen ängstlichen Unterton.
»Was ist?«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie die Frau noch ein paar Tage im Auge behalten könnten. Auch, ehm, möchte ich gern mehr über sie erfahren, was sie so treibt; man möchte sich doch ein Bild machen von der Person, die einen verfolgt. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – sagt ja der Volksmund. Bei mir kommt noch das, nennen wir es mal so, also das
wissenschaftliche Interesse hinzu. Mit dem Wissen über Menschen und mit der Benennung von Dingen hat ja
schließlich alles einmal begonnen. Am Anfang war das Wort, verstehen Sie?«
Aber genau! Der Mann hatte die Hosen voll, so würde der Volksmund ganz unwissenschaftlich sagen.
Ich gehöre nicht zu jenen Spürnasen, die Tagessätze schinden. Doch wenn mein Klient es in diesem Fall
ausdrücklich so wollte, warum nicht – ich versprach Kelian, dass sich ein Mitarbeiter von mir um die Stelztante kümmern würde.
Eine schöne Aufgabe für Cetin, ich selbst wollte mich wieder mit der Salzleiche von Soest beschäftigen.
»Ist das ein guter Mann, dieser Cetin?«, wollte Kelian noch wissen.
»Mein bester«, sagte ich mit Überzeugung und drückte das Gespräch weg.
Am Abend besprach ich mit Cetin, wie er Irene Gorgas beschatten sollte. Er saß in meinem Besuchersessel. Eine Hand voll Gel im Haar, die Beine mit der aufknöpfbaren Adidashose übereinander geschlagen, blätterte er in der Betriebsanleitung meines Computers.
»Ja, geht schon in Ordnung, Chefe, aber ich hab da auch noch ein paar andere Geschäfte laufen.«
»Es muss ja nicht rund um die Uhr sein. Erkundigen Sie sich, wo die Frau arbeitet, was sie in der Freizeit macht. Und noch etwas: Sie soll ruhig merken, dass sie beobachtet wird.
Sichtbare Präsens heißt das bei der Polizei. Mit anderen Worten: Druck machen, sie muss ins Schwitzen kommen!«
»Wird gemacht, Chefe.« Cetin war einverstanden, aber nicht recht bei der Sache. Während unseres Gesprächs war sein Blick immer wieder zu dem Computer gewandert, den ich inzwischen ausgepackt hatte.
»Schönes Teil!«
»Leider kann ich damit nicht umgehen.«
Mit der Begeisterung des Profis, der einen Amateur neben sich weiß, ging Cetin daran, den Rechner einzurichten. Ruck, zuck waren die Kabelverbindungen hergestellt. Flink eilten seine Finger über die Tastatur, mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers bewegte er die Maus, klickte hier, klickte da.
Nach gut zwei Stunden hatte er alle Grundeinstellungen vorgenommen, eine Internetverbindung aufgebaut, eine E-Mail-Adresse sowie eine Webseite für mich eingerichtet.
»Willkommen im weltweiten Netz, Chefe. Merken Sie sich die Adresse und das Passwort, damit können Sie ab sofort von überall Ihre elektronische Post abrufen. Sogar von Soest, falls es dort inzwischen Computer gibt.« Er grinste mich an. »Und mit der Webseite sind Sie nun endlich konkurrenzfähig.«
Dazu sagte ich lieber nichts.
Meine ersten Tippversuche auf der Tastatur waren eine Katastrophe. Zu dicke Finger? Nein, alles nur Übung, meinte Cetin. »Aber vielleicht sollten Sie ein wenig filigraner mit der Maus umgehen. – So, ja, so! Und nach Möglichkeit nicht alle Tasten auf einmal drücken.«
»Und vielleicht sollten Sie, lieber Cetin, beim Beschatten von unserem Stelzvogel mal andere Klamotten tragen?«
»So biederes Zeug wie Sie?«
»Nein, nur nicht diese…«
»Na, sagen Sie es schon: diese Kanakenkluft.«
»Nein, nur etwas dezenter.«
»Und was ist damit?« Er zeigte auf meine Stiefel. »Passt arschgenau zu einem Mantafahrer. Warum nicht italienische Schuhe, elegant und bella, oder Joggingschuhe, lautlos und schnella? Warum?«
»Sehen Sie die Dartscheibe?« Sobald er seinen Blick auf die Wand richtete, fuhr meine Hand zum Stiefelschaft.
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