Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
sterben?
    Um meine Gedanken zu sammeln, streifte ich noch ein wenig durch meine alte Wohngegend. Wo wir nach der Schule Fußball gespielt hatten, stand nun ein Einkaufszentrum; die großen Gärten mit Beerensträuchern, Salatbeeten,
    Komposthaufen und Kaninchenställen waren gestutzten Rasenflächen gewichen und die Viehweiden der neuen Siedlung: verkehrsberuhigt, steril, an den Türen Kränze aus Tannengrün, an den Fenstern Wolkenstores, hinter denen die Langeweile lauerte. Und das Grauen – so kam es mir jetzt, nach dem Gespräch mit Reimer Böke, vor.
    Die Kaserne am Ende der Siedlung hatte ich schon im Vorbeifahren erspäht. Nun schlenderte ich zum Eingangstor mit den beiden Wachhäuschen. Die letzte Wachablösung lag Jahre zurück. Harte Gräser und Wildkräuter hatten inzwischen Teile des Militärgeländes erobert. Hinter dem hohen Drahtzaun erhoben sich die Baracken und ein mächtiger Aussichtsturm aus Bruchstein. Eine fast monumental wirkende Anlage, wenngleich jetzt grau und trostlos. Putz blätterte von den zweiund dreistöckigen Mannschaftsblöcken. Einst hatte man dort französische Kriegsgefangene untergebracht, dann Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und schließlich belgische Soldaten. Jetzt war die Kaserne ein Museum, zu besichtigen aber nur an bestimmten Tagen, wie ich auf einem Schild am großen Tor lesen konnte – und heute war nicht der Tag.
    Also setzte ich mich wieder in meinen Wagen und fuhr in Richtung Innenstadt.
    Vom Hotel aus rief ich Wegener an, einen
    Versicherungsmann, dem ich mal geholfen hatte, einen Betrug aufzudecken.
    »Brandfall Kellers Kahn, eine Bildergalerie am Möhnesee«, gab ich ihm die Stichworte.
    Nach ein paar Klicks im Firmencomputer konnte er mir sagen, dass seine Gesellschaft mit dem Brand auf dem Galerieboot nicht direkt etwas zu tun gehabt hatte.
    »Was heißt ›nicht direkt‹?«
    »Nun, irgendwie treffen sich doch alle Versicherer wieder, Hin und Rück, Sie wissen schon.«
    »Wie hoch war denn der Schaden?«
    »Eine halbe Million das Boot, eine viertel Million die Kunstwerke. Wir sprechen von D-Mark.«
    »Wer hatte Kellers Kahn denn versichert?«
    »Ein Büro in Soest.«
    Er räusperte sich, um anzudeuten, dass er eigentlich nichts sagen durfte. »Mehringer. Carlos Mehringer.«
    Jetzt musste ich mich räuspern. »Danke!«
    Carlos Mehringer, der Ehemann meiner Auftraggeberin, sieh mal einer an! Ich machte die anderthalb Schritte zum Fenster, schaute auf die malerischen Häuser und wusste nicht, wie ich die neue Information einsortieren sollte. Versichert war Kellers Kahn über das Büro Mehringer, der Galerist macht den großen Reibach und richtet sich davon eine schicke Stadtgalerie ein.
    Geld bekommen auch der Künstler sowie eine Hand voll Freunde, die sich aus der Schule kennen; der Coup ist geglückt
    – doch dann, beim nächsten Klassentreffen, fehlt einer aus der Gruppe, und zwar für immer.
    Peter Rugen musste verschwinden. Warum?
    17.
    Abend. Die ehemaligen Schulkameraden saßen vor dem Fernsehschirm oder lagen schon in den Betten. Vielleicht bereuten sie ihre Sünden, vielleicht brüteten sie neue Übeltaten aus. Sie oder andere. Das Verbrechen schläft nicht, wie es so schön heißt, und das Auge des Gesetzes natürlich auch nicht.
    Oder doch? Mal sehen.
    Die Soester Polizeistelle lag nur wenige Schritte hinter dem Osthofentor. Ein- und zweistöckige weiße Gebäude mit roten Ziegeldächern, es war ein kasernenartiger Komplex und doch, verglichen mit dem Duisburger Polizeipräsidium, eine Idylle.
    Ich überlegte, wie die Soester Polizei wohl in dem Fall des verbrannten Tippelbruders vorgegangen war und wie die Ermittlungen bei der Salzleiche standen. Hatten die lokalen Ordnungshüter selbst etwas unternommen oder den Fall gleich an die für Soest zuständige Mordkommission weitergegeben?
    In Duisburg hatte ich meine Verbindungen, aber hier…
    Andererseits, auch ein normaler Bürger konnte doch von den Staatsdienern, die er mit seinem Steuergeld finanzierte, eine Auskunft erwarten.
    Ich betrat die Wache. Sie war mit nur einem Beamten besetzt.
    Der Mann, um die dreißig, Quadratschädel, Schnauzbart, schaute auf den Computer vor sich, kaute auf einem Zahnstocher und benutzte, wie ich beim Näherkommen erkennen konnte, eine schwarz-gelbe Mausunterlage mit dem Vereinsemblem des BVB. Mehrmals nippte er an einer Tasse, ebenfalls in den Farben der Borussia, und endlich blickte er mich an.
    Ich sagte dem Dortmund-Fan, dass ich nach Soest gekommen

Weitere Kostenlose Bücher