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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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bin mir nicht sicher, wie sattelfest Sie auf diesem Gebiet sind.«
    »Och, ich weiß nur, dass die Oper von Mozart ist«, warf ich ein.
    »Gute Antwort, werde ich mir merken.« Nach einem
    angedeuteten Lachen setzte er wieder seine gewichtige Miene auf.
    »Dann wissen Sie sicher auch, worum es in dieser Oper geht: nicht nur um die große leidenschaftliche Liebe, sondern auch um Ehebruch, Verdacht, Täuschung, Verrat und nochmalige Täuschung. Hochinteressant für einen Privatdetektiv.«
    »Vergessen Sie Habgier und Rachsucht nicht!«
    »Ja, völlig korrekt. Übrigens, interessant natürlich auch für jeden Psychologen. Vom Tristan führen deutliche Wege zu Sigmund Freuds Entdeckung des Unbewussten. Man könnte sagen, dass Wagners Musik aufs Vortreffliche seelische Vorgänge darstellt, Halbbewusstes und Ungewolltes, Ahnung und Erinnerung.« Er bemerkte, dass ich mich am Ellbogen kratzte. »Verzeihung, ich verliere mich. Also, die Textstelle lautet: Heia, mein Blut! / Lustig nun fließe! / Die mir die Wunde / auf ewig verschließe – / sie naht wie ein Held, / sie naht mir zum Heil!« Kelian räusperte sich. »Tristan singt das im dritten Aufzug, kurz danach stirbt er – in Isoldes Armen.«
    Besser als in einem Bürostuhl, dachte ich. »Was beunruhigt Sie daran, Herr Kelian?«
    »Dass der Text in dem Beiheft, hier schauen Sie, mit einem gelben Markierungsstift unterstrichen ist. Ich bin, wie Sie gemerkt haben, Wagnerianer.«
    »Herr Kelian, die Frau scheint mehr über Sie zu wissen, als Sie ahnen. Ihr Weg nach Hause…?«
    »Meine Adresse steht im Telefonbuch.«
    »Ich dachte mehr an Ihre Gewohnheiten.« Noch mehr dachte ich an den toten Motorradfahrer, weil bei diesem Mord die Kenntnis über die genauen Gewohnheiten des Opfers die Tat erst möglich gemacht hatte. »Wenn Sie wollen, schaue ich mir mal Ihr Haus in Hinblick auf die Sicherheit an. Sie wohnen am Kaiserberg, dahinter beginnt ja gleich der Wald.«
    Er nickte etwas abwesend.
    Zugegeben, ich hatte das Haus meines Klienten längst in Augenschein genommen, von der Straße aus, bei Nacht. Die Laternen zwischen den hohen Bäumen verbreiteten nur schummriges Licht. Wer den schmiedeeisernen Gartenzaun mit den Eisenspitzen und der dahinter liegenden dichten Hecke überwunden hatte, konnte sich auf dem Grundstück frei bewegen, ohne von den Nachbarn gesehen zu werden. Mit Passanten musste man um diese Jahreszeit nicht rechnen.
    Allenfalls im Sommer begegnete man Spaziergängern in dem angrenzenden Wald. Als ich gestern gegen Abend dort gewesen war, hatte ich nicht einen Menschen erblickt; Nebelfetzen hingen zwischen den Bäumen, die von Büschen umrandete Wiese auf der Anhöhe des Kaiserbergs verbreitete eine unwirkliche, an den Kultfilm Blow up erinnernde Atmosphäre, und der Ehrenfriedhof mit den überwucherten Grabsteinen, wenige Schritte weiter, hatte geradezu gespenstisch gewirkt.
    Ich sagte: »Schöne Gegend, in der Sie wohnen, Herr Kelian, und abgesehen vom Geheul der Wölfe aus dem nahen Tierpark ist es dort sehr still in dieser Zeit. Gehen Sie ab und zu spazieren?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Und Ihre Frau?«
    »Wollen Sie mir Angst machen?«
    »Nur zur Vorsicht mahnen.«
    Kelian tippte auf meinen Zettel mit der Kostenaufstellung und sagte: »Ich denke, das sehen wir mal als
    Zwischenrechnung an. Bleiben Sie dran!«
    Echte Besorgnis? Oder war es nur die Floskel, mit der sich die Radiomoderatoren vor der Werbepause von ihren Hörern verabschiedeten?
    Als ich ihm die Hand reichte, fiel mein Blick auf die örtliche Tageszeitung, die auf seinem Schreibtisch lag. Der Aufmacher auf der Lokalseite lautete Mord an der Bahnschranke. Unter der WAZ lugte die Zeitung mit den großen Buchstaben, lesen konnte ich nur die zwei fast handbreit gesetzten Wörter: Kopflos in…
    29.
    Kurt rief an. Gänzlich ohne Einleitung fragte er, ob ich vorhätte, in den nächsten Tagen zu verreisen.
    »Nein, hab hier genug zu tun.«
    »Das ist gut so, es gibt jemanden, der das falsch auslegen könnte. Mach’s gut.«
    »Mach’s besser.«
    Kurt hatte keinen Namen genannt, aber ich wusste, wen er meinte. Hauptkommissar Tepass vom Duisburger KK 11, zuständig für Tötungsdelikte und Erpressung, der wegen einer alten Sache nicht gut auf mich zu sprechen war und der, so schloss ich aus Kurts Warnung, den Mordfall Schopinski leitete. Voss und Sedau, die mich beim Treppenwischen überrascht hatten, gehörten also zu seiner Truppe. Deshalb die Frage, wo ich zur Tatzeit gewesen war, deshalb

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