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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Ferndiagnose. Wenn Sie vor Ort sind, rufen Sie mich an.«
    Nachdem ich die ganze Zeit nur staunend zugehört hatte, wollte ich nun endlich auch einmal mein Wissen anbringen.
    Ich brachte meine Warnung vor dem Gebrauch von
    Mobiltelefonen an.
    »Stimmt, Chefe.« Cetin lächelte müde. »Wenn man nur ein Handy hat. Aber…« Er richtete sich im Bett auf und zog von einem Regal über sich einen Schuhkarton zu sich herunter.
    In der Kiste lag ein ganzer Schwung Mobiltelefone.
    »Man muss nur alle paar Minuten ein anderes nehmen oder die Telefonkarte wechseln. Dann gelingt es nicht einmal den Bullen vom LKA, die Spur aufzunehmen.«
    30.
    Ich hatte die A 59 genommen, war auf die A 42 gewechselt und jetzt sah ich bei der Abfahrt Oberhausen-Zentrum auch schon den Gasometer, jene über hundert Meter hohe stählerne Riesentonne, die früher mit Kokereigas gefüllt war und heute Kultur beherbergte.
    Ich stellte meinen Wagen ab und ging zum Centro-Eingang.
    Da war die Arena, dort das Kirchenzentrum. Alles halb so schlimm. Doch kaum hatte ich mich den Einkaufspassagen genähert, ging es los: Straßenkünstler auf Einrädern umkurvten mich, Scharen von Disney-Figuren wollten mich an ihre riesigen Pappköpfe ziehen oder mir Einladungen in die Hand drücken. Durch die Besuchermassen kämpfte ich mich über die Promenade und die Hauptstraße zum Marktweg – und
    verspürte so etwas wie einen ersten Schwindelanfall: Es gab rund zweihundert Geschäfte, dazu Dutzende von
    Verkaufsbuden, Restaurants und Fressecken – Chicken, Pommes, Curry, Mex, Tex, Taco – und natürlich eine Parkallee wie bei Monopoly; es gab so genannte Twin Towers, wie sie New York einst hatte, und auch ein Dutzend Geschäfte, die Sportartikel verkauften, in einem davon sollte Irene arbeiten.
    Der Laden läge im Komplex H, und damit ich mich in diesem Einkaufsparadies auch ja nicht verlief, hatte Cetin mir den Weg beschrieben. Er hatte mir zudem mitgeteilt, dass unsere Stelztante dort nur ab und zu und zu unregelmäßigen Zeiten aushalf. Ich fragte mich, warum sie überhaupt arbeitete, denn von der Witwenrente plus der Versicherungssumme hätte sie eigentlich ganz gut leben können.
    Irene Gorgas, geboren in Mülheim an der Ruhr, die Mutter eine Verkäuferin, der Vater unbekannt, mit sechzehn trat sie eine Lehrstelle als Köchin an, mit zwanzig rutschte sie von einem Barhocker zum nächsten, lernte ältere Männer kennen und lebte in einem Loch voller Hausschimmel, später ließ sie sich zur Altenpflegerin umschulen und arbeitete in diesem Beruf, bis sie vor fünf Jahren, inzwischen neunundzwanzig Jahre alt, den knapp fünfzehn Jahre älteren Yannick Gorgas heiratete, der in Ruhrort gemeinsam mit einem Partner ein Tauchunternehmen betrieb. Irene machte einen Tauchlehrgang, half auch schon mal bei Unterwasserarbeiten an Frachtkähnen aus und kümmerte sich ansonsten um den kleinen Laden für Tauchbedarf, der dem Unternehmen angeschlossen war.
    »Nichts Großartiges, Chefe«, hatte Cetin den Bericht über seine Recherchen abgeschlossen. »Aber die beiden hielten sich, um es mal so zu sagen, über Wasser. Na ja, bis zu dem besagten Tag, an dem…«
    Den Rest kannte ich, nach dem Unfalltod ihres Mannes hatte sich Irenes Leben schlagartig geändert; und jetzt stand ich vor dem Geschäft, in dem die Witwe arbeitete.
    Die ganze Welt des Sports stand über dem Eingang. Durch die Schaufensterscheibe sah ich Regale mit Anziehsachen, alle möglichen Sportgeräte vom Tennisschläger bis zum Surfbrett und zwei Verkäufer, beide blondiert und mit einer Verkaufs fördernden Sonnenbräune ausgestattet, die vermutlich aus der Steckdose stammte. Im Hintergrund bei einer Verkaufsgondel mit Hanteln und Expandern erkannte ich Irene, die eine Kundin beriet. Ich blickte auf die Uhr. Kurz nach fünf. Die Geschäfte im Centro waren bis zwanzig Uhr geöffnet. Zeit genug für das, was ich vorhatte.
    Vom Parkplatz fuhr ich in Richtung der Auffahrt A 42, doch dann überlegte ich es mir anders und lenkte meinen Wagen zur Bottroper Straße. Da ich schon mal in der Nähe war, konnte ich auch noch einen Abstecher machen.
    31.
    Schopinskis Werkstatt stand offen, ein Geländewagen mit getönten Seitenscheiben und verchromtem Rammschutz stand auf der Hebebühne. Hinter dem Tresen des Zubehörladens bediente der Mann, den ich schon letztes Mal gesehen hatte.
    Die Flagge der Vereinigten Staaten und die anderen internationalen Fahnen, mit denen sich der Schuppen schmückte, flatterten im Wind, normal

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