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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Plaudertasche sein, doch das Sagen hier im Sender habe ich, die guten Ideen entwickele ich und ohne Absprache mit mir läuft hier gar nichts. Laut sagte er: »Schön, schön, Herr Kelian, sprechen wir darüber. Am besten kommen Sie gleich, nach der Besprechung mit Herrn Mogge, mal in mein Büro.« Ein gnädiges Nicken in meine Richtung, die Fliege unter seinem eckigen Kinn wippte, und damit verließ er den Raum.
    »Mein Chef«, erklärte Kelian, als die Tür ins Schloss gefallen war. »Der lebende Aktendeckel. Ein Sparfuchs, als käme er aus dem Finanzministerium, und trotzdem ein
    Quotenfetischist, alles, was unter dem Durchschnitt liegt, fliegt raus.«
    Mit Fetischisten sollte Kelian sich von Berufs wegen auskennen. Ich fragte: »Und Ihre Sendung, was ist mit der?«
    »Meine Sendung Das andere Fenster hat hohe Zahlen, die liegt gut im Rennen, die behauptet sich in der Spitzengruppe.
    Wenn Radio Vital in der Media-Analyse auf der Liste der zehn meistgehörten Programme erscheint, dann hat der Sender das nicht zuletzt meiner Initiative zu verdanken. Und wenn alles gut läuft, werden wir in Zukunft sogar noch besser dastehen.«
    Der Sender war in Ruhrort in einem riesigen Klotz aus der Gründerzeit untergebracht, grauer Sandstein, mit vielen kleinen Fenstern, in dem lange Jahre das Finanzamt gesessen hatte, bis der Kasten dann saniert wurde. Aus den käfigkleinen Büros waren große Arbeitsräume geworden und dem Dach hatten die Architekten eine Glaskuppel verpasst, nicht ganz so aufwändig wie die Reichstagskuppel, aber groß genug, um viel Licht in den durch den Umbau geschaffenen Innenhof zu lassen. Auf den Schildern neben der Eingangstür, zu der eine beeindruckende Steintreppe führte, hatte ich die Namen einer Anwaltskanzlei, zweier Werbeagenturen und einer
    Transportfirma gesehen. Im Flur von Radio Vital war mir dann eine schwarze Tafel aufgefallen, aufgestellt wie die Tageskarten mancher Restaurants, auf der in bunter Kreideschrift die Einschaltquoten von Radio Vital im Vergleich zum WDR und noch ein paar anderen
    Rundfunkanstalten eingetragen waren. Ich war, bevor ich mit Kelian zu tun bekam, schon einige Male in dieser Etage gewesen, besagte Tafel aber hatte ich nie bemerkt. Offenbar hatte es Veränderungen beim Sender gegeben.
    »Neu im Haus, dieser van Eicken?«, fragte ich jetzt.
    Kelian nickte. »Die Zentrale in Oberhausen hat ihn geschickt.
    Wie Sie vielleicht wissen, gehört Radio Vital zum Verbund privater Rundfunkanstalten und dort ist man nervös geworden.
    Die Werbeeinnahmen könnten besser sein, andererseits gehen die Zahlen ja überall in den Keller, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Unsere Region gehört nun mal nicht zu den blühenden Landschaften und das Erste, woran die kleineren Firmen sparen, das ist immer der Werbeetat. Grundverkehrt, gerade jetzt, am Rande einer Rezession, müsste mehr geworben werden. Ist ja auch nicht so, als ob kein Geld da wäre, aber das haben eben eher die Konzerne, Chemie und Stahl. Wir, der Sender, müssten, um an solche Kunden ranzukommen, über den lokalen Bereich hinausgehen. Was aber nur möglich ist, wenn wir digital aufrüsten. Ein UKW-Sender strahlt kaum weiter als hundert Kilometer im Umkreis.
    Ein so genanntes Kirchturm-Medium. Aber auf den Kanälen der Kurz- und Mittelwelle könnten wir, aufgerüstet mit neuer Digitaltechnik, riesige Flächen bestreichen. Investitionen, Visionen…«
    Ich blickte an die hohe Decke mit der Stuckverzierung. Wenn sich ein Auftrag hinzog, und das konnte bereits nach einigen Tagen beginnen, entwickelte sich der Ermittler in den Augen des Klienten zum Beichtvater. Meist zu beiderseitigem Vorteil: Der Klient konnte sich endlich einmal aussprechen, billiger als bei einem Psychiater, und der Ermittler erfuhr unter Umständen interessante Neuigkeiten. Die Gabe, geduldig zuhören zu können, war für einen Privatschnüffler wichtiger als die Fähigkeit, mit einer Waffe umgehen zu können. Aber auch nur dann, wenn er zusätzlich Verwertbares von Müll trennen konnte.
    »Zurück zu Ihrem Porträt!« Der Radiomann hatte bemerkt, dass ihm ein Hörer abhanden gekommen war. »Doch ja«, bekräftigte er, »das könnten wir wirklich mal machen, wäre kostenlose Werbung für Sie.«
    Ich bedankte mich, ohne Ja oder Nein zu sagen, und brachte Kelian auf das Thema Stalking zurück. »Sie wollten mir noch etwas zu der CD sagen.«
    »Ja, schauen Sie, es gibt da eine Textstelle in Tristan und Isolde, die lautet… Oh, entschuldigen Sie, ich

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