Stelzvogel und Salzleiche
die Anspielung auf mein Messer.
Viele Fehler durfte ich mir in den nächsten Tagen nicht erlauben, sonst würde ich Ärger mit den Gesetzeshütern bekommen. Im schlimmsten Fall konnte ich mich sogar als Mordverdächtiger in Untersuchungshaft wiederfinden. Denn ein Alibi für die Tatzeit, wenn es wirklich darauf ankäme, hatte ich nicht.
Ich wählte die Nummer von Anne Mehringer. Diesmal
meldete sich nicht ihre Tochter, sondern eine Männerstimme.
Ich nannte meinen Namen. Bevor ich weitersprechen konnte, hörte ich: »Ich weiß Bescheid, Sie sind der Detektiv, der sich um die Salzleiche kümmert. Meine Frau ist leider nicht zu sprechen, kann ich ihr etwas ausrichten?«
»Nur, dass ich bei den Nachforschungen eine Pause einlege.«
»Verstehe. Eilt ja auch nicht, da brennt schließlich nichts mehr an, haha!«
»So könnte man es ausdrücken.«
Männerlachen auf beiden Seiten, wir legten auf.
Tatsächlich war mir gar nicht zum Lachen zu Mute. Eine mehr als rätselhafte Nachricht, die ich kurz zuvor in meinem elektronischen Postkasten gefunden hatte, beunruhigte mich.
Deshalb wollte ich als Nächstes Cetin anrufen, ließ es dann aber. Sedaus Andeutung, dass die Polizei Mobiltelefone überwachen könnte, war durchaus ernst zu nehmen.
Ein Grund mehr, mein Büro zu verlassen. Es wurde sowieso viel zu viel telefoniert. Das Leben spielte sich auf der Straße ab und sonst nirgendwo.
In der Konditorei Heinemann auf dem Sonnenwall kaufte ich eine Schachtel der Pralinen, die ich selbst gerne aß, und machte mich auf den Weg nach Marxloh.
Eine Stunde später, die Frage nach dem Befinden war gestellt, die Hälfte der Pralinen gegessen, kam ich zur Sache.
»Kann man den Absender einer E-Mail herausfinden?« Das Problem hatte ich ja schon einmal angeschnitten, aber immer noch keine befriedigende Antwort erhalten.
Anscheinend ein heikles Thema. Cetin ruckte seinen Kopf hin und her, er zögerte. »Nein, das heißt, ist es wichtig, Chefe?«
»Wie man es nimmt. Jemand droht mir dasselbe an, was dem Motorradfahrer am Bahnübergang passiert ist: die Kehle durchzuschneiden.«
»Echt? Ihnen?« Mit seiner gesunden Hand machte er eine Bewegung zum Hals.
Etwas mehr Anteilnahme hatte ich schon erwartet. Und beim gewohnten ›Sie‹ war es auch geblieben.
»Ja, in meiner Mailbox war wieder mal ein Drohbrief. Hier, ich habe ihn ausgedruckt.«
Vorsicht Schnüffler! Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt…
»… doch der zweite folgt sogleich. Mann, kenne ich sehr gut den Spruch, Chefe, Max und Moritz, Wilhelm Busch, oder?«
»Hm. Zunächst dachte ich, dass mein – ich wollte sagen, dass unser Klient Kelian gefährdet ist, dass ihm womöglich der zweite Streich gilt. Genauso gut könnte aber auch ich selbst gemeint sein.«
»Logo!« Er fand die Sache einfach nur spannend.
Ich erzählte Cetin von den anderen Mitteilungen, die dieser Drohung vorangegangen waren.
»Das World Wide Web ist voller Idioten, Chefe, bis hin zu durchgeknallten Typen, die sich ihren eigenen Mörder ins Haus bestellen, zum gemeinsamen Mahl der abgetrennten Organe.«
»Sie machen mir Mut. Also kann man nur abwarten?«
»Wenn ich eben sagte, man kann keinen E-Mail-Absender herausfinden, dann meinte ich, eigentlich kann man das nicht.
Hat man aber einen Verdacht, wer sich hinter der Adresse verbirgt, dann muss man eben an den Rechner der
verdächtigen Person ran, weil dort ja der Absender gespeichert ist.«
So viel war mir schon klar gewesen. »Ich hatte gehofft, dass man den Absender auf andere Weise herausfinden kann.«
Cetin schüttelte den Kopf.
»Und die Nachricht selbst?«
»Wenn sie von demselben PC gesendet wurde, ist sie auch dort zu finden.«
»Aber würde der Absender solch eine verräterische Mail nicht löschen?«
»Klaro. Aber erstens lassen viele ihre Mails im Ordner Gelöschte Dateien, wo man sie wieder hervorholen kann. Und zweitens kann man sogar Daten, die auch im besagten Ordner Gelöschte Dateien gelöscht wurden, wieder sichtbar machen.«
Cetin griff in die Pralinenschachtel. »Wenn man die richtige Software hat. Meine Kumpels hier in Hamborn sind zwar nicht so berühmt wie der Hamburger Chaos Computer Club, aber auch ganz schön auf Zack.«
Er reichte mir eine CD. »Meine Freunde nennen sich Die Datenretter«, Cetin strahlte mich an, »hört sich doch besser an als Hacker, irgendwie positiv. Leider kann ich ja nicht mitkommen.« Er deutete auf seine Verbände an Kopf und Hand. »Wir machen es per
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