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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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hoch oben, keine Halbmastbeflaggung für den verstorbenen Inhaber.
    Ich betrat den Laden, fragte, ob die Motorräder auch zu mieten seien.
    »Steht doch da.« Sein Kinn deutete zum Schauraum nebenan.
    »Schon. Das Schild hab ich gesehen. Es geht aber darum: Ich wollte bei dem Bikertreffen, das sonntags am Kaiserberg angesagt ist, mal mit was Ausgefallenem auflaufen.«
    Der Verkäufer kratzte sich im Schritt.
    »Ich dachte an ‘ne Wehrmachtsmaschine, hab aber keine große Erfahrung mit so ‘nem alten Teil, wenn mal was passiert.«
    »Wat denn?«
    »Dass ich stehen bleibe, eine Panne habe oder die Maschine nicht anspringt.«
    »Und?«
    »Ob mich in dem Fall jemand abholen könnte.«
    »Wer?«
    »Sie. Oder sonst einer von hier. Ich meine, ob mir jemand helfen kann, das Teil wieder flottzukriegen und so.«
    »Kommt drauf an.«
    »Worauf?«
    »Wo Sie stecken, großer Meister.« Seine Stimme war voller Verachtung.
    »Nur hier in der Umgebung.«
    »Möglich.«
    »Es ist so, eine Bekannte von mir, die hat mir Ihr Geschäft empfohlen, wegen dem Service. Die Irene.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Was kostet denn das Leihen für einen Tag?«
    »Preise stehn da.« Mit dem Kinn wies er zu dem Stellschild.
    Ich ballte die Faust in der Tasche.
    Als geradeaus und offen wird der Mensch des Ruhrgebiets in klugen Essays gelobt. Seine knappe, funktionelle Sprache habe ihre Wurzeln in der harten Arbeit der Kumpel. Vielleicht ist da ja was dran und der raue Ton mag unter Tage oder im Stahlwerk durchaus angebracht gewesen sein und sogar auf Charakterstärke hindeuten. Jau, alles klar. Aber wenn man so einen Muffel als Verkäufer vor sich hat und von ihm eine Auskunft haben will, dann kann einem diese Charakterstärke ganz schön auf die Nerven gehen.
    Ich hob den Daumen und verließ den Schuppen.
    Die Zeit, die ich mit dem Angestellten in Schoppers Garage verloren hatte, machte ich auf der Autobahn wieder gut.
    Eine halbe Stunde später stand ich vor Irenes Haus in Froschenteich. Die Enten hatten schon die Schnäbel ins Gefieder gesteckt, die Hühner saßen bereits auf ihrem Schlafbaum. Feierabend auf dem Lande. Stille.
    Zur Vorsicht drückte ich nochmal auf die Türklingel. Als sich drinnen nichts rührte, packte ich mein Besteck aus, und fünf Minuten später stand ich im Flur. Geradeaus ging es ins Wohnzimmer. Fernseher, zwei Sessel, in der Mitte des Raums stand ein Schreibtisch mit einem Computer. Ich unterdrückte den Impuls, mich sofort an den Rechner zu setzen, und machte zunächst einen Rundgang durch das Haus.
    Das Schlafzimmer kannte ich schon aus dem Video und von dem kurzen Blick durch die halb offene Tür bei meinem ersten Besuch.
    Es gab eine Küche und nebenan einen Raum, der allem Anschein nach das Arbeitszimmer ihres verunglückten Mannes gewesen war. An der Wand hing einer dieser grellbunten Radlerhelme, zerborsten und verschmutzt, wie er wohl am Unfallort gelegen hatte. Daneben die Wimpel eines
    Radsportklubs, Fotos von der Hochzeit und von Urlaubsreisen, Andenken einer trauernden Ehefrau. Auch die Aufnahme mit Irene in Witwenkleidung vor einem offenen Grab, die Kelian mir bei seinem ersten Besuch gezeigt hatte, fand ich.
    Vom Flur zweigte eine weitere Tür ab, die verschlossen war, und eine offene Tür, die in den Keller führte. Ich knipste das Licht an, sah hinter einem Bretterverschlag allerlei Gerümpel und löschte das Licht wieder.
    Dann rief ich Cetin an, sagte ihm, wo ich war, und schaltete den Computer ein. Er lief mit dem gleichen Betriebssystem wie meiner und das war schon mal ein guter Anfang.
    Outlook Express angeklickt, der Posteingang war leer, der Postausgang Gesendete Objekte ebenfalls, bei den Gelöschten Objekten wurde ich fündig. Es waren ein Dutzend E-Mails aufgeführt, darunter Geburtstagsgrüße, knappe Antworten auf Anfragen sowie die Danksagung für das Übermitteln einer Adresse.
    Keine Drohungen, keine Hinweise auf irgendetwas, was mich hätte interessieren können. Enttäuschend fand ich auch, dass es sich um einen normalen, aus Vornamen und Nachnamen bestehenden Absender handelte. Andererseits, eine
    Überraschung war es nicht, denn ich wusste, dass man mehrere Adressen einrichten und diese leicht wechseln konnte.
    Nachdem ich die CD eingelegt hatte, sprach ich in mein Handy: »Hallo, bin bereit!«
    Cetin gab mir die Anweisungen, knapp und präzise: »Gehen Sie auf CD-ROM-Laufwerk – rechte Maustaste: Menü öffnen
    – installieren.«
    »Ist gemacht. Es zeigt sich eine Art Laufband.«
    »So

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