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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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auf dem Weg in einen Operationssaal. Es konnte aber auch eine Klapsmühle sein, denn mein Oberkörper steckte in einer Zwangsjacke. Jedenfalls glaubte ich das, bis ich spürte, dass meine Arme gar nicht eng am Brustkorb anlagen, sondern weit ausgestreckt an eine Eisenstange gefesselt waren.
    Meine Zunge fühlte sich pelzig an, meine Augen brannten.
    Ich öffnete sie einen winzigen Spalt, ein Schmerz durchzuckte mich und durch den Tränenschleier vor meinen Augen sah ich eine Gestalt, die ich erst beim zweiten Blinzeln als Irene Gorgas identifizierte, weil sie so verändert aussah. Das biedere Hausmütterchen hatte sich in eine Domina verwandelt. Sie trug eine Aufmachung aus Leder sowie jene Augenmaske, die ich schon von dem Video kannte, ihre Füße steckten in bizarrem Schuhwerk. Mit Stiefeletten von derartiger Größe und ähnlichem Aussehen hatte ich Transsexuelle durch Ibizas Altstadtgassen stöckeln sehen.
    Mein zweiter Blick fiel in einen Wandspiegel, auf dem Boden davor lagen Hanteln, es gab Kraftmaschinen und von der Decke baumelte ein Sandsack. Es handelte sich also nicht um ein Krankenzimmer, sondern um einen Fitnessraum mit allem Drum und Dran und auf dem neuesten Stand der Technik. Eine private Muckibude, die Irene sich in einem fensterlosen Raum eingerichtet hatte. Es roch nach abgestandener Luft und altem Schweiß!
    Breitbeinig stand Irene Gorgas neben mir.
    Ich selbst lag lang ausgestreckt auf einer Liege, die mit Plastik bezogen war und an deren Kopfende eine
    Gewichtstange schwersten Kalibers ruhte. Die Handschellen, die mich an die Eisenstange fesselten, waren aus Kunststoff und konnten aus Polizeibeständen oder von einem
    Versandhändler für spezielle Sexpraktiken stammen. Wie auch die Klamotten, die Irene trug. Strapse aus schwarzem Leder, ein Höschen aus demselben Material, das, passend zu dem breiten Hundehalsband und den Manschetten an ihren Handgelenken, mit glänzenden Nieten verziert war.
    Ich weiß nicht, ob die Dominakluft anregend oder
    erschreckend wirken sollte. Ich fand sie nur grotesk. Ähnlich absurd erschien mir meine eigene Lage, die an einen Gekreuzigten erinnerte: lächerlich, aber nicht zum Lachen.
    Als sie jetzt die Arme anwinkelte und sich zur Seite drehte, bemerkte ich die langen schwarzen Achselhaare und die tätowierte Spinne auf ihrer Hüfte. Was ich bei Irene Gorgas bislang für weibliche Rundungen gehalten hatte, waren Muskeln, wie man sie nur durch strammes Eisenpumpen bekommt.
    »Dann wollen wir mal«, sagte sie wie ein Bauarbeiter, der nach der Mittagspause die Schippe wieder in die Hand nimmt.
    Mit der Rechten umfasste sie ein Gerät, das im Internet als Elektroschocker angeboten und in einigen Waffengeschäften verkauft wird, dort allerdings, weil seit neuestem verboten, nur noch unter der Ladentheke. In der Linken hielt sie die formatierte Diskette und die zerstörte CD, die ich beide nicht mehr hatte verstecken können.
    »Dafür werden Sie bezahlen.«
    »Nennen Sie einen Preis.« Meine Stimme war nicht viel mehr als ein Krächzen.
    Wortlos öffnete Irene einen Hängeschrank. Als sie sich wieder umdrehte, hielt sie ein Fläschchen und eine Spritze in den Händen. Beides zeigte sie mir in der Art, wie ein Zauberer seinem Publikum die Requisiten präsentiert.
    »Die Party beginnt«, sagte sie, indem sie die Flüssigkeit aufzog. »Noch einen Wunsch?«
    »Ich möchte gern duschen. Und Sie?«
    »Humor haben Sie, aber der wird Ihnen gleich vergehen.«
    Ruhig und sorgfältig wie eine Krankenschwester heftete sie den Blick auf die Nadelspitze und schob den Kolben so weit hoch, bis ein dünner Strahl hervorschoss.
    Nachdem sie die Spritze auf einem Wandbrett neben einem Heimtrainer abgelegt hatte, zog sie sich, ohne Umschweife wie beim Arztbesuch, ihren Lederslip aus. Dann drehte sie sich um.
    Nichts gegen Schambehaarung, aber das, was ich zu sehen bekam, war viel, sehr viel. Ich riss die Augen auf.
    »Schon lange keine Frau mehr gehabt«, sagte sie und lächelte hämisch.
    »Stimmt.«
    »Das wird sich ändern.«
    »Manches kann man nicht erzwingen.«
    »O doch!« Sie langte zur Spritze. »Pervitin, schon mal von gehört?«
    Das hatte ich. Es handelte sich um ein stark belebendes, psychisch anregendes Kreislaufmittel. An empfindlicher Stelle verabreicht, bewirkte es verblüffende Reaktionen. Das Zeug war in gewissen Kreisen als Betonspritze bekannt. Bekannt und gefürchtet waren aber auch die Nebenwirkungen, unter anderem eine quälende Dauererektion, über Stunden und

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