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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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zu ermitteln? Sie sagten, da können wir nichts machen, Frau Gorgas, der Mann hat ein Alibi. Schönes Alibi, es war gekauft, erpresst oder aus Gefälligkeit gegeben, es war die Aussage eines anderen Verbrechers. Tja, Frau Gorgas, wir können Ihnen nur raten, sich an die Organisation der Opferhilfe zu wenden. Opferhilfe! Ich wollte Gerechtigkeit, keine Almosen.
    Vielleicht ahnen Sie jetzt, warum ich nicht mehr Opfer sein will.«
    »Sondern Täter!«
    »Ja, Täter! Und wissen Sie, was ich jetzt mit Ihnen mache?
    Ich werde Sie Ihren früheren Kollegen übergeben, Sie waren doch mal Polizist, jedenfalls haben Sie das behauptet.«
    Sie holte mein Telefon aus dem Nebenraum und begann zu wählen. Ich konnte die Stimme des wachhabenden Beamten hören, der nach Namen und Adresse fragte und sich
    wiederholen ließ, was Irene Gorgas in den Hörer gehaucht hatte: »Bitte, kommen Sie, bitte schnell, ein Mann ist in mein Haus eingedrungen und hat mich bedroht. – Nein, mit meinem eigenen Küchenmesser. – Was? – Nun, es ist mir gelungen, ihn im Badezimmer einzuschließen.«
    Zehn Minuten später waren sie da. Den Stimmen nach eine gemischte Streife. Irene Gorgas zog sogleich eine
    Mitleidsnummer ab. Ich hörte nur Wortfetzen »… allein… seit mein Mann tot… Angst…« Die Polizistin redete beruhigend auf sie ein: »Keine Sorge… alles wird gut.«
    Ihr Kollege postierte sich an der Tür, er rief: »Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!«
    Eine Viertelstunde zuvor, als meine Hände noch an der Gewichtstange in Irenes privater Muckibude gefesselt gewesen waren, hätte ich mich über einen derartigen Zuruf noch gefreut. Inzwischen hatte meine Gastgeberin mich in das Badezimmer verfrachtet, die Fesseln gelöst und die Tür von außen abgeschlossen. Wenn die Streife auf Draht war, würde sie fragen, warum der Schlüssel des Badezimmers, was ja nicht üblich ist, außen gesteckt hatte. Wenn…
    Ich jedenfalls würde nichts von meiner wenig heldenhaften Rolle erzählen.
    Ich zog die Tür auf.
    Als Irene Gorgas mich erblickte, presste sie die Hände wie im Gebet zusammen. Deutlich waren die Schnitte an Unterarm und Handrücken zu sehen. Ihre Augen waren gerötet, obwohl ich es ja war, der das Reizgas abbekommen hatte. Die Lederklamotten hatte sie gegen ein wallendes Blümchenkleid getauscht, die Stiefeletten mit den extrem hohen Stahlpinnen gegen Sandalen von Birkenstock; ihre Hände zitterten, ihr ganzer Körper bebte. Wie sie so dastand und mit
    schauspielerischer Perfektion das Opfer eines brutalen Einbrechers gab, wurde mir klar, dass ich mit einer Vergewaltigungsgeschichte nie durchkommen würde.
    Trotzdem sagte ich: »Danke, dass Sie gekommen sind!«
    »Finden Sie das etwa komisch?«, giftete die Polizistin.
    »Nein.«
    »Dann seien Sie mal nicht voreilig.« Der Polizist blieb mit seiner Waffe vorschriftsmäßig auf Abstand. »Legen Sie Ihren Ausweis hier auf den Tisch. Schön langsam!«
    Seine Kollegin streifte mich mit einem harten Blick und nahm die Papiere zum Überprüfen mit nach draußen zum Einsatzwagen.
    Als sie zurückkam, hatte sich ihre Miene entspannt. »Liegt nichts vor.«
    »Wollen Sie Anzeige erstatten?«, erkundigte sich der Polizist bei Irene.
    Meine Peinigerin, wieder ganz Opferlamm, schüttelte den Kopf. Was wie Milde gegenüber einem vermeintlichen Einbrecher aussah, war in Wirklichkeit Berechnung. Eine genauere Überprüfung der Tatumstände lag sicher nicht in Irenes Interesse.
    »Die Verletzungen?«
    »Nicht so schlimm. Ich bin gelernte Krankenschwester.«
    »Gehen wir!«, forderte der Polizist mich auf. Gemeinsam verließen wir den Raum.
    Aus dem Streifenwagen quäkte eine Stimme. Die Polizistin beugte sich in den Wagen, hörte eine Weile zu, dann rief sie über die Schulter. »Herr Mogge, Sie sollen sich morgen im Duisburger Polizeipräsidium melden, bei
    Kriminalhauptkommissar Tepass.«
    34.
    Mein Messer lag noch bei Irene Gorgas im Haus, mein Handy hatte ich eingesteckt. Auf dem Weg nach Duisburg rief ich Kurt Heisterkamp an, sagte aber nur, dass ich vorbeikommen wolle. An seiner Stimme hörte ich, dass er schon einen Schluck getrunken hatte. Im Hintergrund erkannte ich den Sprecher der Tagesthemen. Recht spät für einen normalen Besuch, aber mein Tag war ja auch alles andere als normal verlaufen.
    Homberg war einer der wenigen Duisburger Stadtteile, wo es noch markant nach Industrie roch. Und wenn der Wind von Osten wehte, zog dieser Duft der Arbeitswelt auch nach Hochheide, das schon auf

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