Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
reizvoll, ist diese Lösung doch mit einigen Mängeln behaftet.
Mit Kyes' Computer wäre das alles kein Problem.
Er wurde unter der Prämisse entwickelt, daß das Hirn von Lebewesen bestimmten Begrenzungen unterlag. Der Computer arbeitete mit gewundenen Pfaden und größeren oder kleineren logischen Sprüngen. Jede einfache Erklärung dieses Computers wäre ein ernsthafter Fehler.
Wie auch immer, man programmierte ihn
grundsätzlich so, daß er von sich selbst wie von einer Schachgroßmeisterin dachte, die mitten in einem Spiel mit einem talentierten, aber unterlegenen Gegner steckte. Sie weiß, daß sie alle möglichen Züge machen kann, in jeder beliebigen Kombination und dabei ihrem Gegenspieler um Längen voraus ist. Trotzdem ist es möglich, daß der Amateur bei einem einzelnen Spiel gewinnt. Seine begrenzten Möglichkeiten können sich unter gewissen Umständen als Vorteil erweisen. Die Schachmeisterin kann ebensogut Würfel werfen, um herauszufinden, welche dummen Tricks sich dieser Schwachkopf ausgedacht hat.
Kyes' geistiges Kind würde die Kommandantin oder zumindest ihre Daten aufrufen. Dann würde er eine Reihe von Fragen stellen: eine kurze Biographie, einige Einzelheiten dieses vergangenen Saufgelages, um bei diesem Beispiel zu bleiben, und ganz sicherlich eine medizinische Untersuchung zur Bestimmung der Geschmacksknospen des
betreffenden Wesens. Voilä! Das Narkobier konnte lokalisiert und die Moral wiederhergestellt werden.
Der Sergeant und die Kommandantin standen nicht länger in Ungnade. Ein Happy-End aufgrund eines verbesserten elektronischen Lebens.
Als Kyes Sr. Lagguth, dem Chef der AM2
Kommission, sein Lieblingsprojekt vorstellte, verliebte dieser sich sofort in das herrliche Gerät.
Mit einer derartigen Maschine konnte er die Spur eines flüchtigen Elektrons durch einen Sternensturm hindurch verfolgen,
Die nächste Information entzauberte die Situation für ihn gleich wieder.
"Vergessen Sie das AM2", sagte Kyes. "Es ist nicht wichtig."
Lagguth brachte stotternd vor, daß ihm gerade diese Aufgabe eigens vom Privatkabinett
aufgetragen worden war, und daß die ganze Zukunft des Imperiums davon abhing, das goldene AM2
Vlies des Ewigen Imperators ausfindig zu machen.
Selbst nach dem erfolgreichen Überfall auf die Honjo reichte der AM2-Bonus gerade einmal aus, um das Unvermeidliche um höchstens weitere sieben Monate hinauszuzögern; ungeachtet der immensen Treibstoffkosten, die das Imperium für den Abschluß des Diebstahls ausgeben mußte.
"Haben Sie es denn immer noch nicht kapiert?"
fragte Kyes. "Das Geheimnis des Imperators ist mit ihm gestorben. Wir werden es niemals finden.
Jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie wir es bislang versucht haben."
Dann erzählte er Lagguth, worauf er hinaus wollte.
Sr. Lagguth protestierte energisch dagegen. Er sagte zwar nicht, daß er Kyes für verrückt hielt, obwohl seine Worte letztendlich darauf hinausliefen.
Er sagte jedoch, daß er die Angelegenheit sofort dem Rest des Kabinetts melden und sein Einverständnis darüber einholen müßte, seine Suche aufzugeben und die neue Aufgabe zu übernehmen.
Kyes ging nicht gleich an die Decke, er drohte nicht, und er beschimpfte Sr. Lagguth auch nicht.
Statt dessen klingelte er nach einer Angestellten, die nach wenigen Augenblicken einen riesigen Haufen Ausdrucke hereinkarrte. Die Ausdrucke waren Kopien des Berichts, den Lagguth vor nicht allzu langer Zeit vor dem Kabinett abgeliefert hatte; derjenige, in dem er behauptete, das AM2 könne innerhalb von dreizehn Monaten gefunden werden.
Kyes wanderte im Zimmer auf und ab, während Lagguth auf den Bericht starrte und sich seiner mannigfaltigen Sünden bewußt wurde.
"Vielleicht möchten Sie ja ihre Rückschlüsse aus diesem Bericht noch einmal abändern?" fragte Kyes schließlich.
Lagguth schwieg.
"Ich habe eine Gruppe von meinen Leuten daran gesetzt. Sie fanden ihn ... interessant", fügte Kyes hinzu.
Lagguths Mund klappte auf. Er wollte etwas sagen, klappte ihn dann doch wieder zu. Was gab es dazu noch zu sagen? Jede Seite des Berichts war pure Erfindung. Er hätte ebensogut zwei Monate sagen können, oder sechs Monate - oder nie.
"Sollen wir es nicht auf meine Art versuchen?"
säuselte Kyes.
Die Logik ließ sich nicht von der Hand weisen.
Sr. Lagguth war überzeugt.
Die alte Frau bot einen herrlichen Anblick. Ihr graues Haar fiel ihr bis auf die Hüfte hinab. Es glänzte vor Gesundheit. Ihr hohes Kichern bezauberte Kyes,
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