Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
dich aber getäuscht!" brüllte Otho.
"Das hat er nicht getan. Er gab auf. Er starb als verbittertes und gebrochenes Wesen. Und das ist die Schande meiner Familie, die ich, das schwöre ich dir, bislang noch vor niemand anderem ausgebreitet habe. Höchstens wenn ich vielleicht mal betrunken war. Ich schwöre dir jedoch, daß ich es noch niemandem in nüchternem Zustand verraten habe.
Noch niemals!"
Sten kam sich ein bißchen dumm vor. Seine Freunde behandelten ihn wie ein störrisches Kind.
Vielleicht hatten sie damit sogar recht. Vielleicht brauchte er einen beherzten, aber kräftigen Tritt in den Hintern. Der arme Otho gab sich so viel Mühe.
"Was willst du eigentlich?" blaffte ihn Otho an.
"Was?"
"Was willst du? Diese ... Dinger, die jetzt anstelle des Imperators regieren. Du schuldest ihnen noch was. Sind sie etwa nicht deine Feinde? Haben sie deinen Haß etwa nicht verdient? Warum behandelst du sie so schäbig? Mach sie glücklich. Bring sie um!"
"Habe ich schon versucht", sagte Sten schwach.
"Dann versuch es wieder. Stell dich nicht so an wie mein Onkel mit den Kleidern."
Sten wollte sagen, daß ihre Ermordung für ihn nichts besser machte. Nicht für ihn. Aber er wußte nicht, wie er es seinem rauhbeinigen, abgebrühten Freund klarmachen sollte.
"Du willst mehr als nur ihren Tod, habe ich recht?" fragte sein rauhbeiniger, abgebrühter Freund.
Sten dachte darüber nach. Je tiefer er sich in seine Gedanken wühlte, desto wütender wurde er.
"Das sind Attentäter, feige Mörder", zischte er.
"Schlimmer noch. Als sie den Imperator ermordeten, haben sie uns allen das Messer in die Eingeweide gestoßen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir alle wieder wie Tiere leben müssen. Dann hocken wir wieder vor unseren Höhlen und schlagen Steine gegeneinander, um einen Funken zu erzeugen."
"Sehr gut", dröhnte Otho. "Du bist wütend. Jetzt denk darüber nach, wie du es ihnen heimzahlen kannst."
"Es ihnen heimzahlen ist nicht unbedingt das, was ich möchte", antwortete Sten.
"Beim Barte meiner Mutter. Jetzt sind wir schon wieder an diesem Punkt angekommen. Was willst du denn? Spuck's aus. Dann besteigen wir meine Schiffe und machen ihnen die Hölle heiß!"
"Ich will... Gerechtigkeit", brach es schließlich aus Sten hervor. "Verdammt noch mal! Ich möchte, daß jedes Wesen in diesem Universum erfährt, daß dieses Kabinett aus gemeinen Verbrechern besteht.
Ihre Hände sind blutbesudelt. Gerechtigkeit, um Himmels willen! Gerechtigkeit!"
"Ich persönlich glaube nicht unbedingt an Gerechtigkeit", lenkte Otho ein. "Das tut kein echter Bhor. Das ist doch nur ein Märchen, das sich andere, schwächere Spezies ausgedacht haben, die sich nach höheren Wahrheiten sehnen, weil ihr eigenes Schicksal so mickrig ausgefallen ist.
Aber ich bin ein tolerantes Wesen. Wenn dir der Sinn nach Gerechtigkeit steht, mein Freund, dann lade dir damit den Teller randvoll. Wir werden uns beide daran sattessen.
Und jetzt: Entscheide dich. Welche Form soll diese Gerechtigkeit deiner Meinung nach
annehmen? Und - bei den gefrorenen Arschbacken meines Vaters - wenn du jetzt wieder mit diesem emotionalen Schrott anfängst, reiße ich dir persönlich Arme und Beine aus. Ganz langsam und nacheinander."
Sten bedurfte dieser Art von Ermunterung nicht mehr. Mit einem Mal stand ihm ganz deutlich vor Augen, welche Art von Gerechtigkeit er ausüben wollte.
"Mach deine Schiffe flott, mein Freund", sagte Sten.
"Beim langen, verwitterten Bart meiner Schwester", röhrte Otho los. "Auf uns liegt ein wahrer Segen. Wir werden ihre Seelen noch allesamt zur Hölle trinken!"
Kapitel 15
Der Computer war der Gestalt gewordene
Bürokratentraum. Als reine Speicherzentrale konnten sich nur wenige auf dem zivilen Markt mit ihm messen. Doch der Schlüssel zu seiner vollendeten Schönheit lag in seiner
Zugriffsmethode.
Der Teamleiter der Entwicklungsabteilung war schon zehn Jahre zuvor mit dem Vorschlag zu einem Entwurf in dieser Richtung vor Kyes getreten. Kyes hatte vier Monate mit der Gruppe
zusammengearbeitet, jeden erdenklichen Einwand eingebracht und ganze Horden von "angenommen daß" ins Feld geführt, um seine theoretischen Grenzen auszureizen. Er hatte nicht ein einziges Loch gefunden, das man nicht mit einigen zusätzlich eingefügten Symbolen hatte stopfen können.
Er gab grünes Licht für das Projekt. Es war so kostspielig, daß Kyes sich zu einer anderen Zeit automatisch nach Partnern umgesehen hätte, um das Risiko auf mehrere
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