Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
Schultern zu verteilen. .Er hatte sogar kurzzeitig mit dieser Idee gespielt. Doch wenn der Computer erst einmal am Netz hing, würde er dermaßen gewaltige Gewinne einfahren, daß Kyes den Gedanken, jemanden daran zu beteiligen, rasch wieder verwarf.
Noch wichtiger als die Profite war der potentielle Einfluß.
Der Computer war ein Einzelstück, seine Patente so grundlegend neu, daß kein anderes Wesen auch nur im Traum damit rechnen konnte, eine Kopie davon anzufertigen, ohne ein gigantisches Vermögen und die eigene Reputation aufs Spiel zu setzen - und ohne daß ihm Kyes' Legionen von Anwälten das Leben zur Hölle machten. Schon ab dem frühesten Stadium seiner Planung wußte Kyes, daß dieser Computer jedes System in jeder Regierung ersetzen würde. Und die
Verkaufsbedingungen wurden von ihm bestimmt, von ihm allein.
Sobald das neue System installiert war, würde sein Einfluß so rasch anwachsen wie sein neugeschaffener Reichtum. Denn nur eine einzige Firma, nämlich seine, war dazu befugt und in der Lage, die Maschinen zu warten und regelmäßig mit Upgrades zu bestücken. Kurz gesagt: wer es sich mit Kyes verdarb, konnte seine Verwaltung gleich abschreiben. Die verwalteten Staaten selbst würden bald darauf folgen.
Fast jede Handlung eines jeden sozialen Wesens wurde irgendwo verzeichnet. Das erste Problem bestand darin, wie mit diesen Daten zu verfahren war, damit sie anderen zugänglich wurden. Solange es sich nur um ein Dokument handelte, war die Sache einfach. Man legte es unter einen Stein und markierte die Stelle; jemand, der den Weg dorthin kannte, suchte diesen Ort bei Bedarf auf und konnte das Dokument einsehen. Doch Dokumente
vermehrten sich rasanter als Kakerlaken. Die Jäger und Sammler hatten schon bald nicht mehr genug Platz an ihren Höhlenwänden; Skribenten füllten ganze Bibliotheken mit Pergamentrollen;
Verwaltungsangestellte stopften Aktenschränke voll, bis sich die Schubladen bogen; und selbst zur Blütezeit des Imperiums war es möglich, daß die größten Computer von ihren Datenmengen
regelrecht überflutet wurden.
Damit war jetzt Schluß. Ständig konnten neue Speicherelemente oder Verknüpfungen hinzugefügt werden. Die modernen Systeme hatten die
Lichtoptik so weit hinter sich gelassen, daß auch Geschwindigkeit kein Hindernis mehr war.
Trotzdem galt es noch eine Schwelle zu
überwinden, hinter die noch niemand seinen Fuß gesetzt hatte: Wie fand man in dieser gigantischen Datenmenge ein einziges kleines Byte an
Information?
In der legendären Großen Bibliothek von
Alexandria waren angeblich Hunderte von
Angestellten beschäftigt, die in den Regalen nach denjenigen Schriftrollen forschten, nach denen die Gelehrten verlangten. Tage und Wochen konnten vergehen, bis eine bestimmte Rolle ausfindig gemacht wurde; sehr zum Mißfallen der Gelehrten, die zumeist nicht mit üppigen Forschungsgeldern ausgestattet waren. Ihre vielfältigen und bitteren Beschwerden überlebten sogar den großen Brand, der die Bibliothek zerstörte. Das alles geschah in grauer Vorzeit, als es noch kaum nennenswertes Wissen zu verzeichnen gab.
Zu Stens Zeiten hatte das Problem Dimensionen angenommen, die selbst einen Mathematiker, der den Nabel des Universums untersuchte, ins Wanken bringen würden.
Nur ein kleines Beispiel: ein gehässiger Verpflegungs-Sergeant erhält den Befehl, die Kost in der Mannschaftskantine zu verbessern. Die Moral sinkt bis auf den traurigen Punkt, an dem die Kommandantin selbst den Nachforschungen ihrer Vorgesetzten unterliegt. Vorschläge werden gemacht, viele, viele Vorschläge, die auch ausgeführt werden. Einer der Vorschläge betrifft das Narkobier. Aber nicht einfach irgendein Narkobier.
Die Kommandantin erinnert sich an eine bestimmte Sorte, die sie einst mit ihren Leuten auf einem längst vergessenen Schlachtfeld vor hundert oder mehr Jahren getrunken hat - nur nicht an den verflixten Namen.
Das ist der einzige Hinweis. Sonst nichts.
Der Verpflegungs-Sergeant macht sich an die Arbeit und schaltet seinen Computer ein. Der Computer soll die verdammte Biermarke finden. Die Liste, die er alsbald anbietet, enthält garantiert auch die Lieblingsmarke der Kommandantin, doch sie ist garantiert in einer Million oder mehr Alternativen versteckt, ohne die geringste Möglichkeit, die Suche einzuengen - abgesehen davon, daß man alle Marken bestellt und die Kommandantin mehrere
Lebensspannen damit verbringt, sie alle
durchzuprobieren. Obwohl in gewisser Hinsicht sehr
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