Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell
»verständlich, fast naturgemäß«, wenngleich nicht zu akzeptieren. Sie nützten auchder Sache der Hamas nicht. Sie seien ein Kurzschluss und ein Ausdruck von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, also einer Negation der Hoffnung.
Nach dieser kurzen und brisanten Parteinahme plädiert Hessel im nächsten Abschnitt für Gewaltlosigkeit. Die Versöhnung der Kulturen sei der Weg der Menschheit. Zugleich heißt es, dass man zuweilen den Einsatz von Gewalt nachvollziehen könne, wenn er auch nicht zu entschuldigen sei. In diesem Zusammenhang geht der Autor kurz auf Sartre ein, der zur Gewaltfrage unterschiedlich Stellung bezogen hat, zuletzt aber zu der Einsicht kam, dass Gewalt nicht zum Ziel führe. Hessel schreibt: Dass Terrorismus nichts bewirke, sei ein stärkeres Argument als die Frage der Verurteilung derjenigen, welche Gewalt ausüben. Man brauche eine Hoffnung, die nicht auf Gewalttaten gründe. Nicht in der Politik, nur in der Poesie gebe es eine »espérance violente«, sagt Hessel in Anspielung auf einen Vers von Apollinaire: »Que l’espérance est violente.« Im deutschen Text wird das wiedergegeben mit »wie brutal Hoffnung ist«. In Apollinaires Gedicht
Le pont Mirabeau
geht es allerdings um Liebe:
Comme la vie est lente / Et comme l’Espérance est violente
. Eher als »brutal« dürfte also »drängend, heftig, gewaltig, nicht nachlassend« gemeint sein.
Wie auch immer: Stéphane Hessel gibt zu, dass Gewalt und Hoffnung nicht vereinbar sind, was wohl heißen soll, dass hier die Mittel dem Ziel widersprechen. Unterdrückte und Unterdrücker müssten über das Ende der Gewalt verhandeln. Aber dazu sei es nötig, nicht zu viel Hass aufkommen zu lassen. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber heißen soll das wohl: dass Israel und die Machthaber im Gazastreifen miteinander verhandeln müssen, was ja unterstellt, dass es Menschen guten Willens auf beiden Seiten gibt.
Im letzten Teil ist wieder von der Lage in und um Israel die Rede. Er ist ein Appell zu einem »Aufstand der Friedfertigen«(im Original: »insurrection pacifique«). Kritisiert wird, dass die israelische Regierung auch gewaltlosen Protest als Terrorismus einstuft und entsprechend reagiert. Hier wird der Ton des Pamphlets leicht mokant – Gewaltlosigkeit wirke wohl überall irritierend, heißt es.
Übergangslos wird davon gesprochen, dass das im Westen herrschende »materialistische Maximierungsdenken« die Welt in eine Krise gestürzt habe. Man müsse den Rausch des »Immer mehr« durchbrechen, sich einsetzen für Ethik, Gerechtigkeit und nachhaltiges Gleichgewicht, um den Planeten nicht unbewohnbar zu machen. Menschenrechte, soziale Sicherheit und Ökologie sind hier stets zusammengedacht.
Von 1948 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts seien bedeutende Fortschritte weltweit zu verzeichnen: das Ende der Kolonialzeit, des Apartheid-Regimes, des Sowjetimperiums, der Fall der Berliner Mauer. Aber mit dem Beginn des 21. Jahrhundert habe es Rückschläge gegeben, wofür vor allem die Präsidentschaft von George W. Bush verantwortlich sei mit ihrer falschen Reaktion auf den 11. September, dem Irak-Krieg und anderen Entscheidungen. In der Entwicklungs- und Klimapolitik habe man keine Fortschritte mehr gemacht. Nun sei man an einer Schwelle angelangt, die hoffentlich eine Wende zum Positiven bringe, denn hoffen müsse man ja trotz allem. Hessel erinnert an die Entwicklungsziele, welche die UNO im Jahr 2000 beschlossen hat, darunter die Halbierung der Armut in der Welt bis zum Jahr 2020. Leider fehle es in den USA wie in Europa an Bemühungen, diesen Kurs zu verfolgen, obwohl ja gerade die gegenwärtige Krise dazu einlade.
Hessel beschließt den Aufruf mit einer erneuten Erinnerung an das Vermächtnis der Résistance im Programm des CNR von 1944. Im Jahr 2004 sei ein Aufruf ergangen über die weitere Gültigkeit der Leitlinien jenes Programms, zusammenmit dem Appell, den Kampf gegen die Ungerechtigkeit fortzuführen. In diesem Aufruf ist von »colère«, Zorn, die Rede, nicht von Empörung. Unterzeichnet wurde der Aufruf von Résistance-Veteranen wie Lucie Aubrac, Raymond Aubrac, Daniel Cordier, Georges Séguy, Germaine Tillion und eben Stéphane Hessel. (Das wurde in einer späteren Auflage der französischen Fassung in einer Fußnote hinzugefügt.)
Allerdings wurde schon im Text von 2004 zu einem »wirklichen, friedlichen Aufstand« gegen die Massenmedien aufgerufen, die der Jugend nur die Perspektive von Massenkonsum böten, auch
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