Sterbelaeuten
misstrauisch?“
„Weißt du was, da fällt mir was ein. Den Spieß können wir umdrehen.“
„Wovon redest du?“
Henry hatte schon zum Telefonhörer gegriffen. „Gib mir mal bitte die Nummer vom Gemeindebüro in Schwalbach.“
Ilona sah in einem Adressbuch nach und tippte die Nummer ein.
„Guten Morgen, hier ist Pfarrer Steinhaus aus Sulzbach“, meldete er sich. Frau Müller, die Sekretärin war drangegangen. „Ja, das wünsche ich Ihnen auch, Frau Müller. Ich habe nur eine kurze Anfrage. Habt ihr bei euch einen Jakob Clausen in der Mitgliederdatei? Der ist bei uns in der Gemeinde engagiert, ist aber wohl in Schwalbach gemeldet.“
Warum er das wissen wollte.
„Er will im Besuchskreis helfen, da ist es doch normal, dass wir uns ein bisschen über ihn erkundigen.“ Offenbar hatte die Schwalbacher Gemeindesekretärin ein Datenschutzseminar besucht.
„Frau Müller, bitte! Jetzt sehen Sie das doch mal pragmatisch. Der Datenschutz ist sozusagen für den Menschen da und nicht der Mensch für den Datenschutz. Wir wollen doch nur ansatzweise wissen, mit wem wir es zu tun haben und wen wir auf unsere Gemeindeglieder loslassen.“
„Nein. Okay. Gut, ja ich verstehe.“ Henry legte auf. „Diese Frau Müller ist ein harter Brocken. Aus der kriegen wir nichts raus.“
Er überlegte, ob er es bei seinem Schwalbacher Kollegen probieren sollte. Aber wie er den alten Pfarrer Hohl kannte, wusste der gar nicht, wo man den Computer anstellte.
„Da bleibt nur das Rentamt“, sagte Ilona.
„Wieso?“, fragte Henry.
„Die haben alle Daten von allen Mitgliedern im Dekanat.“
„Stimmt. Aber meinst du, die werden uns eher was sagen als Frau Müller?“
„Ich hab einen guten Draht zur Andrea Peters. Die ruf ich mal an.“ Ilona hatte wieder Oberwasser.
„Dann frag auch gleich nach einem Jakob Schurig.“
„Wieso das denn?“
„Unser Jakob Clausen ist eben Stephanie Heinemann ins Auto gefahren und hat ihr einen Personalausweis gezeigt, der ihn als Jakob Schurig ausweist. Ist doch komisch.“
Ilona wählte die Nummer vom Rentamt. Sie ließ sich zu Frau Peters durchstellen und es folgte ein Gespräch über Tupperpartys, die Kinder, das Weihnachtsessen. Henry tigerte eine Weile im Gemeindebüro herum und ging dann in sein Arbeitszimmer.
Schließlich kam Ilona zu ihm. „Er ist nirgendwo bekannt. Nicht als Clausen und nicht als Schurig.“
„Der war mir von Anfang an nicht koscher“, sagte Henry.
„Vielleicht ist er einfach nur ausgetreten. Oder noch in seiner alten Gemeinde gemeldet.“
„Das erklärt nicht, warum er uns einen falschen Namen genannt hat.“
–
Den Choral aus Couperins „Messe des paroisses“ noch im Ohr, betrat Sibylle mit den anderen Seminarteilnehmern den Gemeindesaal der St. Maria Kirche in Amorbach. Der erste Teil der Fortbildung war schon sehr erhebend gewesen. Für die Pause hatten einige Frauen aus der Gemeinde im Gemeindesaal ein Kaffeebuffet aufgebaut. Sibylle nahm dankbar eine Tasse Kaffee entgegen und sah sich um.
Sie stand neben einem kleinen Büchertisch, auf dem Gemeindebriefe, Broschüren und Faltblätter für kirchliche Veranstaltungen auslagen. Ihr Blick fiel auf ein Faltblatt der Gemeinde mit dem Namen „Kirchenmusikalische Konzerte 2009“. Sie schlug es auf. Von einem Foto oben links lächelte Johannes Torat sie gewinnend an. „Torat!“, entfuhr es ihr.
„Kennen Sie Herrn Torat?“, fragte eine der Kaffee-Frauen, eine ältere Dame, Sibylle lächelnd.
„Ja!“, bestätigte sie. „Er ist Kantor in unserer Gemeinde. Ich komme aus Sulzbach in Hessen.“
„Ach, da hat’s ihn also hin verschlagen“, sagte die Frau. „Er war ja so plötzlich weg. Nicht einmal anständig verabschieden durften wir ihn“, fügte sie voller Bedauern hinzu. „Wissen Sie, er war hier sehr beliebt. So ein fescher junger Mann. Und wie der gesungen hat! Na, und an der Orgel, na ja, Sie wissen es ja, einfach göttlich.“
Sibylle unterdrückte ein Grinsen. Klarer Fall von Kantorschwalbe, dachte sie. Torat war ohne Zweifel ein passabler Musiker. Aber in Kategorien wie „göttlich“ hatte sie bisher noch nicht von ihm gedacht.
„Wann hat er Amorbach denn verlassen?“ Sibylle war neugierig.
„Das muss so im März gewesen sein“, überlegte die Schwalbe. „Das war direkt, nachdem die Ursel gestorben war. Bei der hat er nämlich zur Untermiete gewohnt. Die zwei haben sich richtig gut verstanden. Als die Ursel dann so plötzlich den Herzinfarkt kriegte, das hat er nicht
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