Sterbelaeuten
nicht immer noch Liebeskummer, dachte Elisabeth.
Im Frühjahr hatte Anke eine Beziehung mit einem Kollegen angefangen, die in die Hose ging, weil er ihr verheimlicht hatte, dass er verheiratet war. Im Sommer lernte sie dann einen sehr netten Mann kennen. Der war allerdings auch verheiratet und Anke vertrat ihn bei seiner Scheidung. Das Mandat hatte Elisabeth vermittelt. Sie hatte gleich gemerkt, dass Anke Lars Meinert mochte, und es schien, als sei dies gegenseitig. Aber irgendwie war nichts daraus geworden. Er wollte nicht gleich wieder eine Beziehung anfangen, aus Rücksicht auf seine Tochter, hatte Anke erzählt. Anke verstand das, aber traurig war sie trotzdem gewesen.
„Was ist los?“, fragte Elisabeth. Anke wandte ihren Blick von der Tür und stand auf, um Elisabeth zu begrüßen.
„Hallo, Hübsche“, sagte sie und lächelte über das ganze Gesicht. Sie küssten sich und setzten sich dann beide.
„Dieser Typ“, sagte Anke, „kennst du ihn?“
„Er ist neu bei uns in der Gemeinde“, sagte Elisabeth, „ich habe ihn nur ein paar Mal gesehen, aber noch nie mit ihm gesprochen. Wieso?“
„Ich bin mir nicht sicher, aber er sieht aus wie so ein Typ, von dem ich ein Foto gesehen habe. Bei einem Mandanten von mir. Ich vertrete so ’ne Mittelstandsklitsche, in der dauernd Büromaterial, vor allem elektronische Sachen, Scanner, USB-Sticks, sogar Drucker und Laptops geklaut wurden. Mein Mandant hat einen Privatdetektiv engagiert und seine Mitarbeiter beobachten lassen. Dabei ist er auf diesen Schurig gekommen. So heißt er. Dem haben die Mitarbeiter das Zeug wohl verkauft. Ich habe Fotos von ihm in der Akte gesehen. Mein Mandant hat Strafanzeige gegen ihn erstattet.“
„Vielleicht verwechselst du ihn“, sagte Elisabeth und sah nachdenklich zur Tür, aus der Clausen hinausgegangen war. „Dieser Mann heißt Clausen. Und er arbeitet bei uns in der Gemeinde mit. Klingt nicht nach einem typischen Hobby für einen Kriminellen.“
„Wahrscheinlich hast du recht. Ich habe ja nur ein Foto gesehen.“
Sie bestellten. Elisabeth nippte an ihrem Prosecco und lehnte sich in die Polster der Rückenlehne. Sie saßen in einer halbrunden Fensternische auf einer bequemen Bank. Draußen glitzerten Lichterkettenlichter an den Bäumchen im Schnee.
Elisabeth und Anke kannten sich schon seit der Schule. Nach dem Abitur hatten sie sich für einige Zeit aus den Augen verloren. In der evangelischen Studentengemeinde trafen sie sich wieder und wurden Freundinnen. Unzählige schlechte Kaffees, gemeinsam durchlittene Examensängste, Liebeskummer und Studentenbuden-Umzüge bildeten das Fundament ihrer Freundschaft. Jetzt sahen sie sich vielleicht vier- oder fünfmal im Jahr. Aber Gesprächsstoff gab es immer und die Zeit verging wie im Fluge, wenn sie zusammensaßen.
–
Als die Männer aus der Turnhalle kamen, dampften sie förmlich in der kalten Nachtluft. Die „alten Handball-Herren“ hatten ihr letztes Training vor den Weihnachtsferien kurz gehalten und waren nun auf dem Weg ins Herrenhaus.
Paul drängte sich zwischen Henry und Thomas und legte um jeden einen Arm. „Schön, dass ihr offensichtlich euer Kriegsbeil begraben habt.“ Sein Taktgefühl war legendär.
„Lass gut sein, Paul! Wir hatten ja gar keinen Streit.“ Trotzdem, Henry war heilfroh, dass der Streit zwischen Elisabeth und Thomas beigelegt war, denn er hatte auch das Verhältnis zwischen ihm und Thomas belastet.
„Ich wollte euch längst was erzählt haben“, sagte Thomas, als sie in dem gemütlichen Nebenzimmer des historischen Gebäudes saßen, jeder ein großes Bier vor sich. Diese Sache beschäftigte ihn schon seit Tagen, aber er hatte keine rechte Lust gehabt, mit Henry zu reden. „Herr Schmidt, den ich ab und zu besuche, hatte einen Anruf von so einem Betrüger, der sich als ein Verwandter ausgegeben hat und Geld von ihm wollte.“
„Enkeltrick.“ Paul nickte wissend. „Ganz fiese Sache.“
„Der Arme war völlig durcheinander. Ich kam gerade rein, als er am Telefon war. Der Anrufer hat natürlich aufgelegt. Es hat eine ganze Weile gedauert, Herrn Schmidt davon zu überzeugen, dass es gar nicht sein Enkel war, der da angerufen hat. Schließlich haben wir seine Tochter angerufen und die ihren Sohn. Die wussten natürlich von nichts und waren in heller Aufregung.“
„Wie suchen diese Betrüger ihre Opfer denn eigentlich aus?“, fragte Henry. „Die können doch nicht auf gut Glück das Telefonbuch durchtelefonieren.“
„So
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