Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
nicht wollte, dass sie dabei ist. Wie ich Ihnen schon die ganze Zeit klarmachen will, war das kein geselliges Beisammensein. Die Angelegenheit, über die ich mit Signor Newman reden musste, war extrem vertraulich. Ich wollte ihn auf der terrazza empfangen. Von da oben hat man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt, und dort hätten wir ganz offen reden können. Und was das Essen anbelangt, im Kühlschrank standen noch Reste von einer parmigiana di melanzane , die ich hätte aufwärmen können.«
Mantega war jetzt richtig in Fahrt gekommen. »Ich hab es meiner Frau im Übrigen doch gesagt, als ich am Abend von der Arbeit nach Hause kam, aber es kann gut sein, dass sie mir nicht zugehört hat. Das ist häufig der Fall. Ich werde sie daran erinnern, wenn ich nach Hause komme. Falls sie irgendwann eine eidesstattliche Aussage machen muss, wird ihre Geschichte ganz bestimmt mit meiner übereinstimmen.«
»Da bin ich mir sicher«, bemerkte Zen ironisch. »Und sie wird vermutlich abstreiten, dass sie je mit meinem Untergebenen gesprochen hat. Na schön, Sie können gehen.«
Mantega runzelte die Stirn und stand mit einem unbeholfenen Achselzucken auf. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, erklärte er in defensivem Tonfall.
»Sie waren ein vorbildlicher Zeuge«, entgegnete Zen. »Ich werde Sie allen Personen, die ich noch vernehmen muss und von denen einige vielleicht weniger hilfsbereit sein werden, als leuchtendes Beispiel vorhalten. ›Warum können Sie nicht so hilfsbereit sein wie Signor Mantega?‹, werde ich fragen. ›Das ist ein Mann, der keine Angst davor hat, mir alles zu sagen, was er weiß.‹«
Mantega schien noch etwas sagen zu wollen, doch in diesem Augenblick kam Natale Arnone herein und begleitete ihn hinaus. Zen ging ans Fenster und wartete, bis der Notar unten auf der Straße auftauchte. Als Mantega etwa zehn Meter gegangen war, stieg einer der Beamten, die Zen von der Elite-Antiterror-Einheit Digos abgestellt hatte, aus einem parkenden Auto und nahm die Verfolgung auf. Sein Kollege startete den Wagen und fuhr vor, um sich an die Spitze zu setzen.
Zens vorübergehende Versetzung auf seinen derzeitigen Posten als Polizeichef der Provinz Cosenza war rein zufällig zustande gekommen und hatte nicht den geringsten Anspruch an seine beruflichen Fähigkeiten erwarten lassen und bis vor wenigen Tagen auch nicht gestellt. Auf der Karte Italiens war eine neue Verwaltungseinheit aufgetaucht, die provincia di Crotone , die man aus den Nachbarprovinzen Cosenza und Catanzaro herausgeschnitten hatte. Natürlich brauchte sie einen komplett ausgestatteten Verwaltungsapparat, der für sie verantwortlich war, und der musste von Grund auf neu geschaffen werden. Eine der zu besetzenden Stellen war die des Polizeichefs, und man hatte sich schließlich für Pasquale Rossi entschieden - der bisher dieses Amt in Cosenza innegehabt hatte -, weil er mit einem großen Teil der neuen Provinz vertraut war und somit seine umfangreiche berufliche Erfahrung einbringen konnte. Sein Posten war wiederum an den stellvertretenden Polizeichef von Catanzaro gegangen, einen gewissen Gaetano Monaco, doch leider war Letzterer nicht in der Lage, seine Pflichten aufzunehmen, da er sich beim Reinigen seiner Dienstpistole in den Fuß geschossen hatte.
Sind solche Ernennungen erst einmal ausgesprochen, sind sie nur sehr schwer rückgängig zu machen, weil sie das Stellenkarussell in Bewegung setzen und jeder Kandidat von allen beteiligten Seiten gründlich auf seine Eignung hin geprüft werden muss, bevor die Zustimmung erfolgt. Das Ministerium in Rom hatte es deshalb für zweckdienlich gehalten, den Posten vorübergehend mit einer Vertretung zu besetzen, bis der eigentlich dafür Vorgesehene sich von seiner selbst zugefügten Verletzung völlig erholt hatte, und die Wahl war auf Zen gefallen. Dieser war zwar durchaus höflich vom questore und von den anderen höheren Beamten in Cosenza empfangen worden, doch man hatte ihm diskret zu verstehen gegeben, dass er eine reine Repräsentationsfigur sei, die den Posten nur dem Namen nach einnehme, und sich um die alltäglichen Abläufe in der Dienststelle nicht allzu sehr zu kümmern brauche. Das war ihm auch ganz recht gewesen, bis zum Verschwinden des amerikanischen Anwalts, das alle Charakteristika einer professionellen Entführung mit Lösegeldforderung aufwies.
Es klopfte an der Tür, und Natale Arnone trat ein. Er war Ende zwanzig, untersetzt, hatte einen kahl geschorenen Schädel,
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